Luxus leidet an Long Covid
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2020 war ein schwarzes Jahr für die Luxusmarken – obwohl der chinesische Markt und der Onlinehandel stark gewachsen sind, fiel der Umsatz um 23% auf 217 Mrd. Euro.
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 26.03.2021

Luxus leidet an Long Covid

Im günstigsten Fall dauert es bis Ende 2022, bis sich die Luxusindustrie von den heftigen Corona-Symptomen erholt.

München/Mailand. 2020 hat der Luxusgüterindustrie eine unerwartete Erkenntnis gebracht: nämlich jene, dass sie nicht unverwundbar ist. Tatsächlich wurde sie durch Covid- 19 sogar besonders stark getroffen. Nach einem Vierteljahrhundert des praktisch permanenten Wachstums, unterbrochen nur von drei kurzen Stagnationsphasen, war schon im Frühling klar, dass damit Schluss ist. Die Unternehmensberatung Bain & Co und die Vereinigung der italienischen Luxusgüterhersteller, Altagamma, prognostizierten damals für das Gesamtjahr ein drastisches Minus zwischen 20 und 35%.

Sattes Minus in …

Und wie die Bilanz zum Jahresende zeigt, haben die Luxusexperten Recht behalten: Die Umsätze mit Designermode, Nobelaccessoires, Edelkosmetik, hochkarätigem Schmuck und Luxusuhren erreichten gerade einmal 217 Mrd. €, das sind um 23% weniger als 2019. Infiziert haben sich alle Sparten, wenn auch unterschiedlich stark.
Am kleinsten (–12% auf 19 Mrd. €) fiel das Minus bei Schuhen aus, weil bequeme Modelle auch in Zeiten von Lockdown und Stay Home gefragt waren. Das zeigen auch die von der Modesuchmaschine Lyst ermittelten Quartalsrankings: In den Top10-Listen von 2020 finden sich nur Edel-Sneaker und Birkenstock-Schlapfen.

… allen Segmenten

Besser als der Gesamtmarkt performen konnten Schmuck (–15% auf 18 Mrd. €) und Lederwaren (–18% auf 47 Mrd. €) sowie der Beauty-Sektor (–20% auf 48 Mrd. €). Dass die Kosmetikbranche bisher mit einem „blauen Auge” durch die Krise gekommen ist, hat sie aber allein Produkten für die Haut- und Haarpflege zu verdanken; die Nachfrage nach Düften und dekorativer Kosmetik brach – wenig überraschend, wenn sich das Leben in den eigenen vier Wänden abspielt – deutlich ein.
Die großen Verlierer mit jeweils 30% Umsatzminus sind die Sektoren Mode und Uhren. Beim ersten hat sowohl der mittlerweile hohe E-Commerce-Anteil als auch der durch die Pandemie zusätzlich verstärkte Trend zu lässigen und bequemen Kleidungsstücken noch Schlimmeres verhindert.

Sinkende Profite …

Noch stärker in den Keller gerasselt als die Umsätze sind die Gewinne, nämlich um 60%. Zwar wird die Branche heuer – sofern weitere Infektionswellen und Lockdowns ausbleiben und auf breiter Front rund um den Globus geimpft wird – einen guten Teil dieses Verlusts wieder wettmachen können, doch Entspannung ist so rasch nicht in Sicht, und die Profitabilität wird mittelfristig das Vorkrisenniveau nicht erreichen.
Einerseits, weil die Unternehmen ihre Kosten für Design, Produktion und Vertrieb nur bedingt senken können und sie andererseits, ungeachtet der schwierigen Wirtschaftslage, auch zusätzlich inves­tieren müssen.
Die Pandemie ist dabei nicht der Auslöser, sondern lediglich ein Verstärker jener Trends, die die Unternehmen schon seit einigen Jahren zwingen, ihre Geschäftsmodelle zu adaptieren.

… aber trotzdem hoher …

„Der gesamte Luxusmarkt befindet sich in einer tiefgreifenden Umbruchsphase, da den etablierten Anbietern ständig neue Konkurrenz erwächst”, erläutert Bain-Expertin Marie-Therese Marek die Situation. „Insbesondere im Modesegment entstehen rasch neue Marken, die in den Sozialen Medien zu Hause sind und dort direkt ihre Kundschaft finden.”
Viele Nobelmarken haben ihre Onlineaktivitäten in den letzten Jahren stark ausgebaut, was sich 2020 als wichtiger Rettungsanker erwiesen hat: Die Umsätze dieser Schiene stiegen um mehr als 48% auf 49 Mrd. €. Der E-Commerce wird vor allem durch die nachrückenden jüngeren Käuferschichten noch weiter an Bedeutung gewinnen. Die edlen Flagships werden in der Omni Channel-Shoppingwelt der Zukunft ein wichtiger Faktor bleiben – allerdings nicht mehr vorrangig als Orte, an denen die edle Ware über den Ladentisch geht, sondern wo den Kunden ein umfassendes Markenerlebnis geboten wird.

… Investitionsbedarf

„Neben hoher Qualität und speziellem Design werden für viele Kunden Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit oder soziale Verantwortung immer wichtiger”, betont Bain-Partner und Luxusgüterexperte Oliver Merkel. „Gerade die jüngeren Konsumenten erwarten, dass die Luxusmarken diese Werte erfüllen.” Und gerade in diesen Bereichen haben sich die Luxusmarken – mit ganz wenigen Ausnahmen – bisher wirklich nicht als Musterschüler erwiesen und entsprechend hohen Aufholbedarf.
Ein Back to Normal wird es für die Nobelbranche mit Sicherheit nicht geben, und der Weg in eine erfolgreiche neue Zukunft ist zwar nicht versperrt, aber beschwerlich.
Das heurige Jahr wird trotz erwarteter Umsatzsteigerungen – je nach Markt und Produktgruppe fallen die unterschiedlich aus, liegen aber durchwegs im zweistelligen Bereich – noch hart werden. Frühestens Ende 2022 könne das Vorkrisenniveau erreicht werden.
Claudia D’Arpizio, Bain-Partner und Hauptautorin der Studie, ist aber zuversichtlich: „Obwohl die Branche stark unter der Pandemie leidet, verfügt sie über die nötige Widerstandsfähigkeit, um die Krise zu überstehen. Wir haben Vertrauen in die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Geschäfte umzugestalten und ihre Rolle neu zu definieren, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden und ihre Relevanz, insbesondere für jüngere Generationen, zu erhalten.”

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