Zurück zu den Wurzeln
LUXURY BRANDS&RETAIL Klaus-Dieter Koch 20.03.2015

Zurück zu den Wurzeln

Markenmehrwert Line-Extensions in neue Produktsegmente sind für Luxuslabels nicht immer gesund.

Seit Jahren bereits rundet Gucci sein modisches Sortiment mit stylishen Uhren ab. Doch eine Ausweitung auf neue Geschäftsfelder, die den Italienern scheinbar beiläufig gelungen ist, hat schon bei manchem Unternehmen für großes Kopfzerbrechen und Köpferollen gesorgt.

Nürnberg. Der Markt für Luxuswaren boomt. 2014 wurde mit 223 Mio. Euro weltweit mehr mit Luxusmarken umgesetzt als je zuvor. Rechnet man noch Gebrauchsgüter wie Autos, Möbel und Dienstleis-tungen sowie Reisen hinzu, beträgt das weltweite Luxusvolumen 865 Mio. Euro. Über die vergangenen 20 Jahre entspricht dies einer Steigerung von fast 290%.

Der Markt giert nach Luxus, insbesondere in den Produktsegmenten Nahrungsmittel, Reisen und Hotels, Kleidung, Elektronikartikel, Autos, Schuhe und Kosmetik. Mehr als ein Viertel bis hin zu 40% der Konsumenten wünschen sich hier Luxusmarken. Solch ein Wachstum und solche Margen im gehobenen zeistelligen Prozentbereich schaffen Begehrlichkeiten. Ein Mittel, das Manager von Luxusmarken für das weitere Umsatzwachstum massiv nutzen, heißt Ausdehnung: Neue Märkte erobern, mehr Händler und mehr eigene Shops eröffnen, mehr Kollektionen pro Jahr, mehr Marken und mehr Sortimente mit neuen Warengruppen.

Luxus sorgt für Distinktion

Die Frage nach den Kaufmotiven beantworten die Kunden mit der Qualität und dem Lebensgefühl, das Luxusmarken bei ihnen auslösen. Prestige und Zugehörigkeit sind weitere Handlungsmotive, die deutlich machen, worum es bei dem Kauf einer Luxusmarke geht: um die soziale Abgrenzung und die Zugehörigkeit zu einer gewünschten Stilgruppe oder sozialen Schicht. Diese Distinktionsfunktion hat Luxusmarken schon immer getriggert und hat sich seit der „Demokratisierung” des Luxus noch weiter verschärft.Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, dass die Markenmanager ihre Chancen nutzen und ihre Marken hemmungslos in neue, gewinnträchtige Produktsegmente ausweiten. Dabei stehen die Segmente Home Interior (z.B. Meissen, Hermès), Luxusuhren (Montblanc, Gucci, Burberry), Modeaccessoires (Tag Heuer) und Schmuck (Bottega Veneta) besonders im Fokus. In den noch im Umgang mit Luxuswaren unerfahrenen Weltmärk-ten mag diese Wachstumsstrategie funktionieren. In Märkten mit hohem Gini-Koeffizienten gieren die Kunden danach, ihre frisch eroberte soziale Klasse durch den exzessiven Konsum von Luxusmarken den Zurückgebliebenen zu demonstrieren.Kehrseite der Medaille ist die Frage nach Geschäftsmodell und Zustand der Kernmarke. Daimler hat stilvollendet vorgeführt, was passiert, wenn die Kernmarke aufgrund ungezügelter Managementfantasien über Jahrzehnte vernachlässigt wird. Der weltweite Benchmark bei Premium- und Luxusfahrzeugen hat sich selbst besser beschädigt, als dies jeder Konkurrent vermocht hätte.Van Laack hat es nicht mehr gereicht, Marktführer bei Luxushemden zu sein; erst Damenblusen, dann Anzüge und ganze Kollektionen für Damen und Herren und zuletzt noch eine eigene Ladenkette haben das Unternehmen in die Insolvenz getrieben. Zu schnell, zu gierig, zu wenig Kenntnis, wie Marken funktionieren.

Wachsen durch Anziehung

Was wachstumshungrige Manager gern übersehen: Markendehnungen sind mehr mit Risiko denn mit Chance verbunden. Was sicher ist: Jedes fremde Produktsegment bringt erst mal neue Wettbewerber, die es besser können als man selbst. Die hat man garantiert. Nächste Frage: Wo sollen die neuen Produkte denn verkauft werden? Hat man eigene Shops, ist das relativ einfach, ist man auf den Handel angewiesen, wird es schwierig. Vertu hat jahrelang vergeblich versucht, seine Luxushandys über Juweliere zu vertreiben. Welche Schmuckverkäuferin kann ein Hightech-Gerät für 30.000 Euro so erklären, dass es den Kunden überzeugt?Damit einher geht das große Risiko, die eigene Marke zu verwässern, indem man die über Jahrzehnte mühsam in vielen kleinen Schritten aufgebaute Markenenergie melkt, ohne dem System neue Leistungsenergie zuzuführen. Das Geld wird nämlich an anderen Stellen gebraucht, um die Dehnung zu finanzieren. Verliert die Marke aber in ihrem Kernsortiment ihre Anziehungskraft, sind die Line-­Extender ihre Energie auch sofort los. Meist kommt dann bald ein neuer CEO, der mit seinem Team zuerst verkündet, die Marke wieder zurück zu ihren Wurzeln führen zu wollen.

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