WIEN. Der 22. Journalistinnenkongress fand dieses Jahr online statt. Teilnehmen konnte jeder. Das Thema „Neues Spiel – neue Regeln. Wie Frauen von der Transformation profitieren” passte zur Situation. „Die Digitalisierung ist der einzig wirklich große Vorteil an dieser Pandemie, wenn man überhaupt einen Vorteil daraus sehen könnte. Aber sie hat auch alte Rollenbilder hervorgebracht, wieder verstärkt und vor allem die Frauen wider sehr stark betroffen”, sagte Maria Rauch-Kallat, ehemalige ÖVP-Frauenministerin und Initiatorin des Journalistinnenkongresses, in ihrer Eröffnungsrede. Moderiert wurde der JoKo 2020 von Alexandra Wachter, Journalistin, Moderatorin und Vorsitzende des Frauennetzwerk Medien.
Forderungen aufgestellt
In einem Interview mit Wienerin-Chefredakteurin Barbara Haas sprach sich Harald Mahrer von der WKO für mehr Transparenz aus. Dies sei nötig, um mit Traditionen zu brechen und „unsichtbare” Frauen sichtbar zu machen. Mahrer sei der Meinung, geschlechterbasierte Ungleichheiten im Beruf müssen transparent sein. Die Digitalisierung ist „ein unverzichtbarer Bestandteil des Alltags”.
Medienfrauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben im Juni 2020 gemeinsam acht Forderungen präsentiert, um die Gleichstellung der Frauen in den Medien voranzutreiben. Zusammengefasst gesagt werden dabei Diversität in den Medienhäusern, gleiches Gehalt für beide Geschlechter, Medienförderung, geknüpft an Frauenförderung, und Hilfsfonds für freie Mitarbeiterinnen gefordert. Auch die Ermöglichung einer Führungsposition während einer Teilzeitanstellung, 50% Frauen auf Führungsebnen sowie in den meinungsbildenden journalistischen Formaten sind in den acht Punkten verankert. Was nach einem halben Jahr geschehen ist, diskutierten Alexandra Wachter (Vorsitzende Frauennetzwerk Medien), Daniela Kraus (Geschäftsführerin Presseclub Concordia), Martina Madner (Vorsitzende Frauennetzwerk Medien), Edith Heitkämper (Vorsitzende ProQuote Medien) und Nadja Rohner (Co-Präsidentin Medienfrauen Schweiz).
Im Online Talk sind sich die fünf Frauen einig: Es bedarf einer noch stärkeren öffentlichen Diskussion zum Thema Gleichberechtigung von Frauen. Das allein reicht laut Heitkämper jedoch nicht: „Bei den Experten aus Politik und Wirtschaft kommt nur ein Bruchteil von Frauen zu Wort.” Madner berichtet, dass Corona die Expertinnen noch mehr zurückgedrängt habe: „Im Mai lag der Anteil an Expertinnen bei nur 25 Prozent.” Die Medienhäuser und ihre Führungsetagen wurden ebenfalls diskutiert: „Wir brauchen auch auf den Führungsebenen gemischte Teams, damit Frauen nicht in die Rolle der Außenseiterinnen gedrängt werden.” Das helfe auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nicht vergessen dürfe man außerdem, den gegenseitigen Austausch voranzutreiben. „Miteinander reden, auch über Grenzen hinweg, ist nach wie vor wichtig”, sagt Daniela Kraus.
Was die Krise bringt
Im Talk mit JoKo-Initiatorin Rauch-Kallat sagte der ehemalige Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung und CEO Georg Kapsch: „Es müssen auch Männer ihr Bild verändern und erkennen, welche Erfolge gemischte Teams haben.”
Die Auswirkungen des Covid-19-Virus auf den Journalismus war Thema des Talks „Neues Spiel – neue Regeln”. Wie diese neuen Spielregeln und neue Strategien, um Frauen zu stärken, gestaltet werden müssen, diskutierten Wiebke Loosen vom Leibnitz-Institut für Medienforschung, Maria Pernegger von Media-Affairs , Eva Konzett vom Falter, Katharina Mader vom Institut für Heterodoxe Ökonomie (WU Wien) und Martina Madner von der Wiener Zeitung. Maria Pernegger führte an, dass die österreichische Bundesregierung zwar gleichermaßen aus weiblichen und männlichen Personen zusammengesetzt ist, aber während der Coronakrise treten vor allem die Minister in den Medien auf. Laut Pernegger liegt das Ungleichgewicht bei einem Verhältnis von 80% Männern zu 20% Frauen. Darüber hinaus ergab sich aus ihrer Untersuchung, dass Frauen entweder Arbeitszeiten gekürzt haben, um der Kinderbetreuung nachzukommen, oder gar freiwillig gekündigt haben. Laut der Ökologin Katharina Mader führen die hohen Teilzeitquoten bei Frauen oft zu Altersarmut; besonders gefährdet in der Krise sieht Wiebke Loosen die freien Journalistinnen.
Für die Zukunft
Die wichtigsten Erkenntnisse der Expertinnen: Die Forschung muss mehr einbezogen werden, Väter müssen ihre Rolle aktiver wahrnehmen und Wirtschaftshilfen müssen nach fairen Kriterien vergeben werden. Außerdem ist Wiebke Loosen davon überzeugt, dass Co-Leitungen zwischen Männern und Frauen in einer Arbeitsteilung durchaus realisierbar sind. In einer Sache sind sich alle einig: Frauen müssen sich gegenseitig unterstützen, um stark zu sein, und gerade in der Krise darf die Gleichstellungspolitik nicht in den Hintergrund geraten.
Im Mittelpunkt des Nachmittagsprogramms des Journalistinnenkongresses am 14. November standen vier Workshops.
Ist Aussehen gleich Kompetenz? In einer Diskussion teilten Eser Akbaba (Journalistin), Damita Pressl (Journalistin), Kristine Schmidt (Trainerin für Digitaljournalismus) ihre Erfahrungen, Vorstellungen und Appelle in Bezug auf das Aussehen als (möglichen) Erfolgsfaktor mit. Dass das Äußere wichtig für den Erfolg ist, lässt sich nicht zur Gänze abstreiten, feststehen dürfte aber, dass das Aussehen niemals über den fachlichen und personellen Kompetenzen stehen darf.
Gemeinsam diskutiert
Im Workshop „Wissenschaftsjournalismus – Männer erklären uns einmal mehr die Welt. Wie kann (Fach)-frau besser Gehör finden” wurde versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. „Wir müssen für uns selber entscheiden. Wir möchten mehr Frauen zu Wort kommen lassen”, sagt Edith Heitkämper (NDR). Selbst aktiv Wissenschaftlerinnen und Expertinnen zu suchen, liegt deshalb in der Verantwortung aller Journalisten, denn: „Es ist kein Gesetz, dass Männer uns die Welt erklären”, sagt Heitkämper. Der Weg in die Selbstständigkeit ist nicht leicht. Tipps dafür eröffneten Medienfrauen im Workshop „Journalistische Arbeitsbedingungen – was nun? Technische Zukunftsmöglichkeiten, neue Berufsbilder und innovative Formen des Journalismus – wie kann frau selbstständig etwas Neues bauen”. „Ein Geschäftsmodell erarbeiten, eine passende Zielgruppe finden, sich wirtschaftliches Wissen aneignen”, das sind laut Lydia Ninz, CEO von Ajour, einer Anlaufstelle für arbeitslose Journalisten, wichtige Punkte zur Selbstständigkeit. Lena Marie Glaser von der Beratungsagentur Basically Innovative brachte ein, dass es auf dem Weg zum beruflichen Durchbruch das Wichtigste ist, dass eine Frau an sich selbst glaubt. (nri)