Wien. Österreich hat seine Mehrwertsteuer 20 Jahre lang – seit dem EU-Beitritt 1995 – nicht mehr angetastet. Demnächst könnte es, aus Mangel an innovativen Alternativen zur Gegenfinanzierung der geplanten Steuerreform, jedoch so weit sein. In Österreich gibt es derzeit die EU-rechtskonformen drei Steuersätze: den 20%igen Regelsteuersatz sowie zwei ermäßigte Sätze von zwölf – auf Wein Ab-Hof – und zehn Prozent; Letzterer gilt neben Lebensmitteln, Mieten und Medikamenten auch für eine Reihe von weiteren Produkten, deren Steuerbegünstigung nun wackelt. Zu diesen Wackelkandidaten, so wird seit Längerem kolportiert, zählen auch Dinge wie Theaterkarten und Kinotickets. Die Vertreter des Fachverbands der Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe in der Wirtschaftskammer Öster-reich (WKO) haben sich inzwischen jedenfalls in Stellung gebracht.
„Existenzbedrohend”
Eine steuerliche Mehrbelastung sei „ein Angriff auf das Kulturland Österreich” und stelle die betroffenen Branchen vor gewaltige Herausforderungen, bis hin zur Exis-tenzbedrohung, zeigten sich Fachverbandsobmann Heimo Medwed, Kinosprecher Christian Dörfler, Theatersprecher Gerald Pichowetz und der Sprecher der Kartenbüros, Franz Lechner, einig. Medwed, der auch Sprecher der Schausteller ist, hält die aktuelle Diskussion über erhöhte Mehrwertsteuersätze für einen „Schildbürgerstreich” und „Anschlag auf das österreichische Kulturgut der Jahrmärk-te, Volksfeste und Kirtage”: Man treibe Gewerbetreibende „in den Ruin” – „ganz zu schweigen von der Wertschöpfung, die gerade in den ländlichen Regionen durch das drohende Aus solcher Traditionsfeste und Veranstaltungen verloren ginge”. Zudem sei eine etwaige Mehrwertsteuererhöhung eine Mogelpackung, wiederholte Medwed ein auch aus der politischen Diskussion bekanntes Argument, da man den Menschen einerseits mehr Geld verspreche und es ihnen auf der anderen Seite wieder aus der Tasche ziehe.Auch Kinosprecher Christian Dörfler befürchtet Wertschöpfungsverluste: „Offenbar will die Regierung mit dem Taschengeld von Schülern und Studenten die Steuerreform gegenfinanzieren”, kritisierte der Vertreter der 138 heimischen Kinos. Außerdem empfehle die EU „ganz klar einen ermäßigten Steuersatz, an den sich etwa Österreichs Nachbarländer Deutschland mit sieben Prozent und Italien mit zehn Prozent halten”.
Jobabbau wahrscheinlich
Einen massiven Rückgang an Besuchern befürchtet Theatersprecher Gerald Pichowetz, denn es sei nachvollziehbar, dass die Menschen zuallererst bei Freizeitaktivitäten den Sparstift ansetzen: „Freizeitaktivitäten zu besteuern, trifft Unternehmen und Konsumenten gleichermaßen”, betonte Pichowetz. Der Sprecher der Kartenbüros, Franz Lechner, betonte den kulturellen Anspruch Österreichs. Steuererhöhungen würden die Kultur „zu einem Luxusgut machen”. Außerdem erschwerten diese Maßnahmen das Engagement hochkarätiger Künstler.Die Branchensprecher befürchten auch negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, da es „für viele Unternehmen – im Falle zusätzlicher Steuerbelastungen – unmöglich wäre, Mitarbeiter zu halten, geschweige denn Beschäftigung zu schaffen”.Die Steuerreform-Experten der Regierung haben im Dezember vorgerechnet, dass die Streichung aller Mehrwertsteuerausnahmen vier Mrd. € brächte, allein 1,1 Mrd. € die Nahrungsmittel. (APA/red)