••• Von Nadja Riahi
Wenn im Juni die Farben des Regenbogens über dem Rathausplatz leuchten, ist der Lesbian, Gay, Bisexual,Transgender, Intersex und Queer (LGBTIQ) Pride-Monat auch in Wien angekommen.
Dieser Monat steht in vielen Ländern der Welt für die Rechte und die Gleichstellung homo-, bi- und transsexueller Menschen. Das Highlight des Pride-Monats ist die Regenbogenparade am 15. Juni. Dieses Jahr eine ganz besondere: die EuroPride, eine europaweite Veranstaltung die jedes Jahr in einem anderen Land stattfindet. Zusätzlich gibt es zahlreiche LGBT-Veranstaltungen und das Pride Village am Rathausplatz.
International in Wien
Als internationaler Event zieht die EuroPride 2019 viele Gäste aus dem Ausland nach Wien. Was das für den Tourismus und die Wirtschaft in Österreich bedeutet, weiß Norbert Kettner, Direktor des WienTourismus: „Die EuroPride ist sowohl ein wichtiger Wirtschafts- als auch ein Imagefaktor für die Stadt. Rund eine Million Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland sowie aus Wien werden auf dieser Großveranstaltung erwartet. Aus einer Umfrage wissen wir, dass schwule und lesbische Wien-Gäste überdurchschnittlich gut gebildet sind, öfters reisen und rund 20 Prozent mehr als der Wiener Durchschnittsgast verdienen”, erklärt Kettner.
„Bei der EuroPride geht es somit einerseits um die aktuellen Ausgaben der Besucher, andererseits aber auch um den mittelfristigen Werbe- und Imagewert dieser Veranstaltung. Die EuroPride wird der Stadt noch mehr Bekanntheit in der LGBT-Community verschaffen und Wiens Image als bunte, vielfältige und kosmopolitische Metropole nachhaltig prägen”, so Kettner weiter.
Ein buntes Willkommen
Um den Touristen die bestmögliche EuroPride Erfahrung zu bieten, werden die Gäste bereits am Hauptbahnhof und am Flughafen Wien begrüßt. „Wir informieren die Besucher in den speziell gebrandeten Tourist-Infos über das umfangreiche Programm sowie weitere LGBT-Angebote in der Stadt. Viele sind – pünktlich zur EuroPride – über unsere Vienna City Card vergünstigt buchbar.
Eine mobile Tourist-Info im Regenbogendesign ist während der gesamten Dauer der EuroPride an allen Hotspots im Einsatz. Als Highlight ist bei der Parade am 15. Juni ein WienTourismus-Truck mit DJ Tamara Mascara und internationalen Gästen aus der Medien- und Reisebranche am Ring unterwegs”, so Kettner.
Marketing für EuroPride
Um die Menschen auf die EuroPride 2019 in Wien aufmerksam zu machen, habe WienTourismus den Event bereits seit über zwei Jahren über Medienarbeit, B2B-Events, Marketingkooperationen sowie bei anderen Prides in insgesamt elf Ländern weltweit beworben. Besondere Aufmerksamkeit erzielte eine Online-Kampagne rund um die symbolische Eheschließung von Siri und Alexa, deren Hochzeitsvideo bisher 4,5 Mio. Mal angesehen wurde.
„Zur EuroPride selbst holen wir rund 30 internationale Journalisten, Influencer, Reiseveranstalter und Multiplikatoren nach Wien”, erzählt der Tourismusdirektor.
Abseits der Pride möchte Kettner Wien auch das ganze Jahr über als exklusives Top-Reiseziel in der LGBT-Community positionieren.
Ein ganzes Jahr Regenbogen
„Wir sprechen die Zielgruppe direkt an, indem wir auf einschlägigen Veranstaltungen werben, Präsenz auf Special-Interest-Plattformen oder in Magazinen zeigen und auf Vorzüge der Destination hinweisen. Aktuell sind die EuroPride und die Ehe für alle wichtige Botschaften.” Außerdem gibt es das Wien-Logo auch in Regenbogenfarben und auf Werbesujets sind vor allem gleichgeschlechtliche Paare zu sehen. Unternehmen und Marken, die „LGBT inclusive” sind, werden besonders in Zukunft bei der LGBT-Community im Vorteil sein. Am 5. Juni diskutierten Vertreter der Branche und Community über Klischeebilder, Stereotypen und LGBTs in Werbung und Marktkommunikation im ÖBB Open Innovations Lab. Wie sprechen Werber also homo-, bi-, trans- und intersexuelle Menschen am besten an? „Kommunikation lebt von Zuspitzung”, sagt Marco Schreuder, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in Wien. „Provokant und schrill fällt eben auf”, gesteht er. Glaubwürdig mit oder für LGBTIQs zu werben, funktioniere laut Schreuder nur, wenn dies auch in der DNA der Firma glaubwürdig verankert sei.
Der Event „Über Kampflesben und Tunten” wurde von Astrid Weinwurm-Wilhelm initiiert; sie ist die Präsidentin der Queer Business Women, einem Netzwerk zur Förderung der Sichtbarkeit lesbischer Frauen im Arbeitsleben.
Outing am Arbeitsplatz
Weinwurm-Wilhelm: „Studien belegen, dass nach wie vor nur rund 25 Prozent der nicht-heterosexuellen Menschen am Arbeitsplatz out sind – das heißt es sind 75 Prozent, die täglich entscheiden müssen, ob sie sich outen oder nicht. Menschen meinen oft, die sexuelle Orientierung sei Privatsache – und bedenken nicht, dass sich heterosexuelle Menschen ganz unbewusst und ständig outen: Stellen Sie sich vor, Sie sind hetero und niemand darf es wissen. Was erzählen Sie am Montagmorgen in der Kaffeeküche? Mit wem haben Sie den Urlaub verbracht?” Diese Fragestellung verdeutliche für die meisten, weshalb die sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz sehr wohl relevant sei.
„Nur wenn wir mit unserer gesamten Identität anwesend sind, können wir auch unser volles Leistungspotenzial einbringen”, betont Weinwurm-Wilhelm. „Daher mein Appell an die Unternehmen: Schaffen Sie ein wertschätzendes und offenes Arbeitsklima, in dem sich alle einbringen können, wie sie sind.” Das tägliche Versteckspiel, das Erfinden einer Parallelwelt, die strikte Trennung von Beruf und Privatem, das Verbiegen oder Verleugnen der eigenen Identität seien energieraubend. „Die Energie, die Mitarbeitende dafür verwenden, wäre unter anderen Umständen Teil der Arbeitsleistung.”
Unternehmen profitieren
Rein aus wirtschaftlichen Gründen sollten Unternehmen diesen Rahmen schaffen, damit LGBTIQ-Personen ihn nutzen könnten – „und sich mit ihrem gesamten Leistungspotenzial einbringen können und nicht Teile ihrer Energie investieren müssen, um ihren Lebensentwurf zu verheimlichen”, meint Weinwurm-Wilhelm. Immer mehr Arbeitgeber setzen sich aktiv für die LGBTIQ-Community ein.
Wichtig sei Authentizität: Nur wenn es nach innen – in das Unternehmen hinein – auch einen respektvollen und wertschätzenden Umgang und Maßnahmen für die Sichtbarkeit und Toleranz der LGBTIQ-Community gebe, sei das Engagement bei einem Event wie der EuroPride glaubwürdig. „Ist diese Stimmigkeit gegeben, dann kann sich das Unternehmen dadurch positionieren”,erklärt die Präsidentin der „Queer Business Women” . Es werde sichtbar im Sinne von Employer Branding und könne in Zeiten von Fach- und Führungskräftemangel Talente am Arbeitsmarkt ansprechen. „Nach innen hin bedeutet ein solches Engagement, dass Arbeitszufriedenheit, Motivation und Personalbindung gestärkt werden – in Anbetracht der hohen Kosten für Fluktuation und Rekrutierung ein wesentliches und wirtschaftliches Argument.” Durch diese Maßnahmen werde nicht nur die LGBTIQ-Community angesprochen. Auch Menschen der Generation Z erwarten – selbst wenn sie heterosexuell sind – ein diversitätsbewusstes Arbeitsumfeld.