Individualisierung prägt die Druckerbranche
© Verband Druck & Medientechnik/APA-Fotoservice/Schedl
PRIMENEWS Dinko Fejzuli 19.05.2015

Individualisierung prägt die Druckerbranche

Bilanz Vergangenes Wochenende traf sich die heimische Druckerbranche zur Jahrestagung

Im Talk Digitalisierung, Individualisierung und verschärfter Wettbewerb sind nur einige der Herausforderungen für die Druckerbranche. Wie also kann man sich ­heutzutage noch profitabel positionieren? medianet bat Gerald Watzal, Präsident des Verband Druck & Medientechnik, am Österr. Druckertag zum Interview.

Krems. Druckwerke im Wert von rund 1,68 Mrd. € netto fakturierten Österreichs Druckereien im Jahr 2014. Das ist lediglich um 0,9% weniger als im Jahr 2013. Die Zahl der Arbeitgeberbetriebe ist im gleichen Zeitraum jedoch um 14% auf 590 gesunken. Einer der Gründe ist die massive Deflation von Gedrucktem. In den letzten zehn Jahren ist der Erzeugerpreisindex für Druckprodukte um fünf Prozent gefallen, während die Inflationsrate um 20% gestiegen ist.

Aber wie können sich Druckereien positionieren, damit sie profitabel sind? Welche Chancen gibt es für Druckereien angesichts wachsender internationaler Konkurrenz? Und wie steht der Standort Österreich im internationalen Vergleich da? Darüber diskutierten Experten aus Deutschland, Schweiz, Belgien und Österreich beim Österreichischen Druckertag am 16. Mai 2015 in Krems/Nieder-österreich.
medianet bat Gerald Watzal, den Präsidenten der Verband Druck & Medientechnik, zum Interview.


medianet:
Herr Präsident, ein Tagungspunkt heißt ‚Herausforderungen an die Druckbranche'. Was genau sind denn nun diese und wie weit ist die Branche auf die Bewältigung dieser vorbereitet?
Watzal: Die Druckereibranche ist zwar noch immer eines der größenmäßig wichtigsten Gewerbe in Österreich. Aber die Branche ist seit Jahren im Umbruch. Und so wie es aussieht, wird sich diese Marktbereinigung noch weiter fortsetzen. Die große Herausforderung für unsere Branche ist, die Ursachen zu erkennen und gegenzusteuern.

Der Markt für Gedrucktes hat sich in den letzten Jahren durch Internet, immer geringer werdende Transportkosten und den Wirtschaftsraum EU radikal verändert. Dadurch wurden Wettbewerb und Kostendruck verschärft, andererseits sind aber auch neue Geschäftsfelder für Druckereien entstanden.
Umso wichtiger ist es dabei, als Verband die Stimme zu erheben. Es geht darum, die Diskussion über den Wert von Gedrucktem zu initiieren, für faire Marktbedingungen zu kämpfen und die Mitglieder darin zu unterstützen, dass sie fit für den internationalen Wettbewerb sind.


medianet:
Apropos ‚Wettbewerb'. Gerade die Digitalisierung hat diesen auf ein völlig neues Level gehoben: Welche weiteren Umwälzungen kommen denn auf Ihre Branche noch zu, und wie ‚fit' ist man hier schon?
Watzal: Die Grenzen zwischen den publizierenden Gewerben und zwischen den einzelnen Medien verschwimmen. Print, digitale und mobile Medien gehen immer stärker Hand in Hand. So bekomme ich etwa heute mit der Post ein Directmailing, das mich auf eine Website führt, wo ich mich mobil oder via PC informieren kann und wiederum Printprodukte wie Kataloge, etc. bestellen kann. Wir erleben hier durchaus eine Art Renaissance von Print. Denn die Unternehmen haben erkannt, dass Online allein nicht ausreicht, um ihre Kunden anzusprechen, und Gedrucktes ein wichtiger Bestandteil im Medienmix ist. Der weltweit zweitgrößte Online-Händler, die Otto Group, produziert mittlerweile pro Jahr 270 unterschiedliche Kataloge für unterschiedliche Zielgruppen, Produktgruppen, Jahreszeiten und Sonderaktionen. Das Beispiel Otto Group zeigt aber auch, dass sich die Anforderungen an Printprodukte verändert haben. Die Auflagen sind heute tendenziell kleiner, die Produkte sind zielgruppenaffin und viel stärker personalisiert.

medianet:
Wie bzw. mit welchen Angeboten begegnen Sie diesen Herausforderungen?
Watzal: Das Einkaufsverhalten bei Druckprodukten unterscheidet sich im Grunde nicht wesentlich von der Bekleidungsbranche. Genauso wie sich Kunden ein Billig-T-Shirt bei einer Kette kaufen und dazu eine Designerjacke leisten, verhalten sich die Kunden auch bei Druckprodukten. Die Druckereien müssen sich heute bestimmt stärker entscheiden, ob sie eine Nische besetzen wollen oder in die Masse gehen.

medianet:
Ist das nicht auch eine Chance für Neues?
Watzal: Absolut. Die Digitalisierung bietet hier eine große Chance für Druckereien. Sie hat erst die Gründung von Online-Druckereien wie Druck.at ermöglicht.

Aber nicht nur große Verkaufsportale profitieren, sondern auch viele kleine und mittelständische Druckereien arbeiten mit Web-to-Print-Software und bedienen ihre Kunden über sogenannte Closed Shops. Hier noch ein paar Zahlen dazu: Der Gesamtumsatz der Druckereien in der D-A-CH-Region liegt bei knapp 23 Mrd. Euro. Davon entfallen auf offene Portale rund 2,6 Mrd. Euro und auf geschlossene Portale gut fünf Mrd. Euro. Insgesamt ist der Online-Print- Markt in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2014 um rund 14 Prozent gewachsen.


medianet: In Zeiten von Twitter, Facebook & Co wurden die bisherigen Medienkonsumenten zu Medienproduzenten. Gibt es auch in der Druckerbranche eine Tendenz hin zur Individualisierung der Kommunikation bzw. – in Ihrem Fall – der Produktion?
Watzal: Die Individualisierung prägt auch die Druckwerke. Das zeigt ja auch die sehr erfolgreiche Aktion ‚Pimp my Campaign'. Wird die Ansprache der Kunden persönlicher gestaltet, dann steigert dies auch den Erfolg einer Kampagne. Für die Druckereibranche heißt das, dass immer mehr digital gedruckt wird. Und die Druckereien sind immer stärker gefordert, Lösungen zu finden. So haben Druckereien mit Unternehmen etwa Baukastensysteme entwickelt, damit mehrere unterschiedliche Sorten etwa von Bedienungsanleitungen, Directmailings, Katalogen oder Werbematerialien gemeinsam gedruckt und seriell gefertigt werden können.

medianet:
Laut einer Umfrage von Ipsos Research geben 94 Prozent der 18- bis 24-Jährigen an, dass Lesen auf Papier ‚netter' ist; als Leser macht man sich aber in der Medienbranche gerade um diese Digital Natives als künftige Zielgruppe große Sorgen …
Watzal: … Digital Natives sind Crossmedia-Nutzer und sie sind knallhart. Sie wissen genau, wo sie welche Information lesen möchten. Sie informieren sich über die News via Internet oder Apps, lesen aber sehr wohl Hintergrundberichte gern in der Zeitung oder abonnieren ein Zielgruppenmagazin. Und sie möchten vorrangig unterhalten und informiert werden; attraktive, zielgruppenorientierte Inhalte sind dabei ebenso wichtig wie ein spielerischer Umgang mit dem Medienmix.

medianet:
Kommenden Samstag findet das Finale des ESC statt, eine als sogenannter Green Event zertifizierte Veranstaltung. Ein auch für die Druckerbranche wichtiges Thema, oder?
Watzal: Wir als Verband engagieren uns seit Jahren für das Thema Green Printing und bieten hier mit dem Print CO2-Gütesiegel ein transparentes und glaubwürdiges Zertifikat an. Aber natürlich bleiben wir hier nicht stehen; unser nächstes Projekt wartet schon auf seinen ersten Auftritt. Mehr dazu in den nächsten Wochen.

medianet:
Zum Abschluss eine Frage zur Branche an sich. In welchem Zustand befindet sich diese Ihrer Meinung nach? Welche Rolle spielt dabei auch die starke Konkurrenz ausländischer Druckereien, gerade in den östlichen Nachbarländern, mit deren Preisniveau die heimischen Betriebe vermutlich nicht immer mithalten können?
Watzal: Die Druckereibranche kämpft nach wie vor mit einem starken Konkurrenz- und Kostendruck. Transport kostet ja nicht mehr die Welt. Und Österreich mit seinen hohen Lohnnebenkosten und teilweise noch immer kuriosen kollektivvertraglichen Lohnzuschlägen kann international schwer mit­halten.

Dennoch gibt es gute Argumente, in Österreich drucken zu lassen. Ein wichtiger Punkt ist oft die Zeit. Heute erwarten die Kunden selbst bei komplexen Produktionen eine extrem rasche Abwicklung. Und Transport kostet zwar nicht mehr viel Geld, aber er kostet auch Zeit. Die Druckereien in der eigenen Region können hier viel rascher und ­effizienter drucken. Ein weiterer Punkt ist die Betreuung vor Ort. Denn das ist bei Beratung, Andruck oder Probeserien wichtig. Aber auch bei möglichen Reklamationen ist es gut, wenn diese im Inland ­ablaufen. Und natürlich – nicht zu vergessen ist, dass kurze ­Transportwege auch die Umwelt schonen.


medianet:
Abschlussfrage: Die sogenannte Medienkrise nach 2009 hat naturgemäß vor allem den Printmedien zugesetzt, und als Reaktion mussten etliche ihre Druckauflagen zum Teil deutlich reduzieren. Wie ist hier die Entwicklung weitergegangen und generell: Woher kommen denn anteilsmäßig die Auftraggeber für die heimische Druckerbranche?
Watzal: Der Umsatz der Druckbranche ist zu einem großen Teil natürlich von den Umsätzen der Werbebranche abhängig. Insgesamt sind die Zeitungsverlage nach wie vor gute Kunden von Druckereien. Im Bereich der Werbedrucke beobachten wir den Trend, dass Unternehmen immer öfter Printproducing wieder ins Unternehmen integrieren und nicht mehr rein über Agenturen abwickeln. Damit werden die Unternehmen selbst wieder stärker zu direkten Auftraggebern.

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