„Meine Vision ist, am Schluss auch Resultate zu liefern”
PRIMENEWS reinhard krémer 21.04.2015

„Meine Vision ist, am Schluss auch Resultate zu liefern”

Interview Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht große Vorteile in der Steuerreform – durch die Senkung des Eingangssteuersatzes auch für KMU

Schelling: „Allergene, Rauchen, Lohndumpinggesetz, ständige Kontrollen haben das Fass bei den Wirten zum Überlaufen gebracht.”

Wien. Finanzminister Hans Jörg Schelling hat noch einiges vor. medianet sprach mit ihm über Verwaltungsreform, Steuerschmerzen, Sympathiewerte – und über nieder-österreichische Wirtshäuser.medianet: Seit ich denken kann, habe ich von zwei Dingen gehört, die nie passiert sind – nämlich von Frieden in Nahost und von der Verwaltungsreform. Glauben Sie, dass ich Letzteres noch erleben könnte? Hans Jörg Schelling: Ja, Letzteres werden Sie noch erleben. Wir haben jetzt einmal die sogenannte Verwaltungskostenbremse als Erstes aufgesetzt als nachlaufende Steuerreform: Wir werden von prognostizierten Steigerungen von 2,7 auf 1,7 Prozent runterfahren, und ich glaube, dass es über diesen Weg über die Ressourcenknappheit dann tatsächlich zu einer umsetzbaren Reform kommt. medianet: Sehen Sie in der Steuerreform auch Vorteile und Zuckerl für die KMU, oder gibt es da nur bittere Pillen wie die Registrierkassenpflicht?Schelling: Ich glaube, dass die bitteren Pillen sich im Rahmen halten, aber was der wichtigste Punkt ist, der hinlänglich übersehen wird, ist, dass die Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 auf 25 Prozent natürlich jeden trifft.

Nicht nur die Dienstnehmer, sondern vor allem auch die Dienstgeber. Und wir haben jetzt auch in anderen Bereichen Begleitmaßnahmen gesetzt: Es wird da zum Beispiel ein Crowdfundinggesetz gemacht, es wird eine Mittelstandsfinanzierung geben, es wird die Forschungsförderungsprämie erhöht werden. Es ist natürlich das eine oder andere dabei, das wahrscheinlich schmerzt, aber man muss auch immer dagegenhalten: Was war die größte Bedrohung für die österreichischen Betriebe und für den Standort? Das waren die neuen Steuern mit Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern und Stiftungsäquivalente, wo die SPÖ rund zwei Milliarden Euro eingeplant hatte – und diese Steuern sind weg. Jetzt weiß ich schon, Dankbarkeit ist natürlich keine politische Kategorie – aber das wäre natürlich für den Standort dramatisch gewesen …

medianet: Sie kommen in der Bevölkerung sehr gut an. Schmeichelt das und macht das vielleicht Verhandlungen mit der Beamtengewerkschaft auch einfacher? Dort hat man diese Vorteile möglicherweise ja nicht…Schelling: Also zum Zweiten: Verhandlungen mit der Beamtengewerkschaften sind nie einfach, soviel Sympathie können Sie gar nicht in der Bevölkerung haben. Aber es geht darum, die Dinge auf den Punkt zu bringen und offen auszusprechen, und das ist eine meiner Stärken, dass ich nicht lange um den heißen Brei herumrede, sondern direkt die Themen anspreche und versuche, Lösungen zu finden.

Und die andere Frage: Es ist angenehm, aber es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Schluss die Leistung zählt: Was hat man erreicht, was hat man umgesetzt? Dass viele Menschen sagen, es passiert etwas, es geht was weiter, das ehrt mich – aber die Erwartungshaltung ist natürlich auch, dass wir von Ankündigungen zu Resultaten kommen, und daher ist meine Vision, am Schluss auch Resultate zu liefern.

medianet: Trauen Sie sich eigentlich noch in ein niederösterreichisches Wirtshaus?Schelling: Na selbstverständlich (lacht). Ich war erst vor Kurzem und wir wurden dort freundlichst empfangen und hatten dort eine gute Gesprächsbasis – und es ging auch viel, viel weniger darum, was in der Steuerreform passiert. Denn die meisten Wirte, die ich besuche, besitzen eine Registrierkasse und schöne Lokale. Hier geht es, glaube ich, mehr um das sozusagen Aufgestaute, das insgesamt in den letzten Jahren lawinenartig über die Wirte gekommen ist.

Ob das jetzt die Deklarierung der Allergene, das Rauchen, die Barrierefreiheit, das Lohndumpinggesetz, die Arbeitszeitregelung, die ständigen Kontrollen sind – das hat das Fass irgendwie zum Überlaufen gebracht. Aber es ist zumindest so, das ist mein Eindruck, dass man die Dinge auch erkennt und auch weiß, wo die Verursacher sind. Und deshalb bin ich auch weiterhin herzlich willkommen in den niederösterreichischen Wirtshäusern und geh auch gern hin.

medianet: Sie haben im Leben fast alles erreicht, was man in dieser Republik auf unternehmerischer Seite erreichen kann. Warum tun Sie sich dieses Amt überhaupt an?Schelling: Ja, zum Einen: Wenn man gefragt wird, so wie es mir gegangen ist, dann denkt man kurz darüber nach: Traue ich mir das zu oder nicht? Und wenn man die Frage mit ja beantwortet, so wie das bei mir war, dann muss man auch das ‚Ja' geben.

Und das Zweite ist, ich habe eine Erfahrung gemacht im Haupt­verband der Sozialversicherungen mit allen diesen Dingen: Es nützt überhaupt nichts, wenn man die Dinge von außen kritisiert. Entweder begibt man sich in das System hinein und versucht zu verändern oder man lässt es. Denn von Außen kritisieren ist zwar leicht, aber es bewegt auch nichts. Und wenn man etwas zurückgeben will an das Land – auch das, was man selbst empfangen hat –, dann muss man sich auch dazu bekennen, ­einmal eine so schwierige Aufgabe zu übernehmen. Ich mach's mit Spaß, mit Freude und mit viel Herzblut.

OGM-Vertrausensindex (Saldo aus „habe Vertrauen/habe kein Vertrauen”): Für Schelling ist dieser Wert seit seinem Amtsantritt stets positiv ausgefallen. Mitte März (knapp vor der Einigung auf die Steuerreform; siehe Grafik) stand er bei 15 Punkten. Inzwischen kletterte der Wert nochmals um zwei Punkte.

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