Wien. Bernhard Felderer ist der Doyen der österreichischen Finanzwirtschaft und als Präsident des Fiskalrats oberster Schuldenwächter der Republik. medianet sprach mit ihm über Hypo, Ratings und das Steuerpaket. medianet: Wie viele Hypos verträgt Österreich noch, bis wir zusperren müssen? Bernhard Felderer: Das ist ein einmaliger Unfall gewesen. Wir haben da eineinhalb Milliarden reingesteckt und es wird noch ein bissi mehr werden – aber so, mit ‚zusperren', kann man das nicht beantworten.medianet: Ist der hier eingeschlagene Weg jetzt der richtige? Felderer: Dass der Steuerzahler geschont wird, ist im Prinzip richtig – und es herrscht in der gesamten Europäischen Union die Meinung, dass Gläubiger bei bankrotten Banken beteiligt werden müssen. Die rechtliche Grundlage, auf der sich der Finanzminister da bewegt, ist ja eine EU-Richtlinie. Das ist keine österreichische Erfindung.
Ob das aber alles so durchgeht, werden die Gerichte entscheiden. Ich glaube, dieser Weg hat jedenfalls eine sehr gute Chance.
medianet: Triple-A-Verlust – sind wir da jetzt am Weg in Richtung Griechenland? Felderer: Sie stellen sehr provokante Fragen – nein, das sind wir sicher nicht! Wir sind weit davon entfernt. Wir haben noch immer exzellente Zinsen bei der Staatsverschuldung; wir haben bis jetzt nicht gemerkt, dass das Rating sich verschlechtert hat. Es wird gleichwohl langfristig gewisse Wirkungen haben, aber das liegt im marginalen Bereich.
Wir müssen uns aber trotzdem nicht auf der sicheren Seite fühlen, denn wir haben einen Riesenberg von Reformvorhaben seit Jahren vor uns hergeschoben. Wenn wir die Warnzeichen, die wir bekommen haben, nicht beachten, wird die Finanzierung der Staatsschuld – und damit der Investitionen, das hängt ja zusammen – schwieriger werden.
medianet: Zum Thema Steuerpaket: Hätten Sie es auch so gemacht? An welchen Schrauben würden Sie noch drehen? Felderer: Man muss dabei die beiden Verhandlungsseiten sehen: Die ÖVP hat erfolgreich versucht, Substanzsteuern zu verhindern. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich Substanzsteuern für äußerst schädlich für die österreichische Wirtschaft halte, und war sehr froh, als ich gesehen habe, dass dies dem Finanzminister und seinen Verhandlern gelungen ist. Für die SPÖ war die Entlastung der Lohnsteuerpflichtigen wichtig und sie hat sich damit ebenfalls durch-gesetzt.medianet: Andererseits kommt es auch zu Steuererhöhungen …Felderer: Dass es bei einer Entlastung von fünf Milliarden auch bestimmte Steuererhöhungen gibt, die auch eine gewisse ideologische Komponente haben – wie die Erhöhung des Grenzsteuersatzes bei der Einkommenssteuer auf 55 Prozent, die Erhöhung der KESt von 25 auf 27,5 Prozent und noch ein paar andere Dinge noch – das ist natürlich unschön. Aber das war der Preis dafür, dass die Substanzsteuer vom Tisch war.
Wenn damit erreicht worden ist, dass über diese Steuern wie Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer in nächster Zeit nicht mehr geredet wird, dann würde das den österreichischen Investitionen insofern nützen, als die Investoren aus dieser großen Unsicherheit und dem Pessimismus herauskommen und zur Normalität zurückkehren. Wir dürfen nicht vergessen, dass die österreichischen Investitionen noch mehr als zehn Prozent unter dem Niveau von 2007 liegen. Das ist in Südeuropa zwar normal, aber nicht zum Beispiel in Deutschland oder Holland. Wir müssen schauen, dass wir wieder auf die Beine kommen.
medianet: Was bringt die Steuerreform der Wirtschaft – und insbesondere den KMU? Felderer: Hier gibt es folgende Erleichterungen: Wenn es eine Personengesellschaft ist, gibt es die selben Erleichterungen wie bei einem Lohneinkommensempfänger, weil die ja denselben Tarif haben.
Wenn es eine Kapitalgesellschaft ist, dann gibt es neben der Besteuerung des Unternehmens eine Besteuerung des Unternehmerlohnes. Dieser ist aber jetzt auch ermä-ßigt. Das heißt, die Lohnsteuer hat schon eine sehr zentrale und auch eine belebende Wirkung für die Unternehmen. Sie müssen sich vorstellen, dass jemand, der aus einem Niedriglohnsteuerland nach Österreich zurückkommt, dann hierzulande sehr viel höher bezahlt werden muss, damit er netto zumindest ebensoviel hat. Das hemmt die Mobilität der Arbeitskräfte und ist für Unternehmen ein Problem gewesen. Dies wird jetzt verbessert und erleichtert.
medianet: Noch einmal zurück zum Stichwort ‚Reform' …Felderer: Einige haben kritisiert, dass die Möglichkeit zur Strukturreform nicht genutzt wurde. Die Verwaltungseinsparungen werden aber 1,1 Milliarden Euro betragen.
Viele haben sich hier mehr vorgestellt. Es war jedenfalls wichtig, dass beide Seiten ihre Ziele durchsetzen konnten. Aber Reformen sind noch eine andere Sache, das ist schon klar.
Bernhard Felderer ist seit November 2013 Präsident des Österreichischen Fiskalrats. Der Fiskalrat trat 2013 an die Stelle des früheren Staatsschuldenausschusses und hat die Aufgabe, über die Einhaltung der EU-Budgetvorgaben zu wachen. Er hat zwölf stimmberechtigte Mitglieder, die von Regierung, Arbeiter- und Wirtschaftskammer entsandt werden. Dazu kommt noch je ein Vertreter von Ländern, Gemeinde- und Städtebund, die allerdings kein Stimmrecht haben.