Die unbekannte Größe am Stadtrand wird größer
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RETAIL christian novacek 17.05.2019

Die unbekannte Größe am Stadtrand wird größer

Fachmarktzentren fristen ein wenig positiv beleuchtetes Dasein; dabei werden sie immer erfolgreicher.

••• Von Christian Novacek

Der E-Commerce drückt auf den stationären Handel und ob und inwieweit dieser in der Krise ist oder bloß darauf zusteuert – daran scheiden sich die Geister. Gewiss ist aber, dass sich eine Form des stationären Handels nun schon über mehr als ein Jahrzehnt hindurch konstant positiv entwickelt: die Fachmarktagglomerationen. Einst als unschöner Wildwuchs am Ortsende verpönt, sind sie im erstaunlichen Maß mutiert: „Fachmarktzentren mit hohem Lebensmittelanteil sind heute die Darlings der Investoren”, konstatiert Standort+Markt-Chef Hannes Lindner anlässlich der Studienpräsentation zu den „Fachmarktagglomerationen in Österreich”.

Die Studie stellt dann auch gleich im Untertitel die Frage: „Trauriges, aber notwendiges Übel?” Dabei fällt die Antwort in Sachen Traurigkeit eindeutig abschlägig aus. Das bestätigt schon ein flüchtiger Blick auf die Fakten: 264 Fachmarktagglomerationen gibt es aktuell in Österreich. Sie stehen für eine Verkaufsfläche von 5,8 Mio. m² – gegenüber der Vergleichsstudie 2016/17 ein Zuwachs um 100.000 m². Pikanterweise ist der stationäre Handel gesamt im gleichen Zeitraum um rd. 100.000 m² geschrumpft.

Unumstrittener Flächenkaiser

„Unbenommen sind die Fachmarktagglomerationen der Flächenkaiser in Österreichs Handel”, ergänzt entsprechend Roman Schwarzenegger von Standort+Markt und bringt zum Vergleich die Einkaufszentren mit gesamt „nur” 2,4 Mio. m² und die Wiener Geschäftsstraßen mit 1,1 Mio. m². Mithin beläuft sich der Flächenanteil der FMZs am gesamten Handel auf rd. 40% – also alles andere als eine Größenordnung, über die sich degutant die Nase rümpfen ließe.

Besonders deutlich wird die dynamische Entwicklung im Sprung übers Jahrzehnt hinaus: im Jahr 2000 gab es gerade mal 113 FMZs, und die Verkaufs­fläche hat sich im Laufe von 18 Jahren nahezu verdoppelt.

Solide Umsätze am Ortsrand

Aber auch in der Umsatzdimension machen die einstigen Schandflecken auf der grünen Wiese eine gute Figur: Die Flächenproduktivität ist mit 2.645 € pro Quadratmeter pro Jahr im Großen und Ganzen solide und im Detail sogar erquicklich: „Die durchschnittlich Warenkorbgröße ist vor allem bei den Supermärkten deutlich höher als in den innerstädtischen Lagen”, führt Lindner aus. Damit ist auch der strategische Schlüssel zum Boom mitgeliefert, denn: Während in der Innenstadt die hohe Frequenz letztlich weniger Umsatz macht, als am Ortsende mit dicken Warenkörben zusammenkommt, ist gleichzeitig die Miete in der Innenstadtlage zumeist ungleich höher als an der Peripherie.

Daraus resultiert eine Entwicklung, die unter dem Begriff „Verödung der Innenstädte” gern laut und plakativ verkündet wird – allein, einen Weg aus der Zwickmühle gibt es bis dato kaum und Fakt ist, dass die Fachmarktzentren ihren Job gut machen. Gleichwohl ist nicht oder kaum gesagt, wer da nun einen Job gut macht, denn konturierte Adressaten wie bei den Einkaufszentren fehlen bei den Fachmarktagglomerationen mitunter völlig. „Hier ist alles möglich”, sagt Lindner, „die Lebensmitteldiskonter sind Mieter oder Eigentümer oder die Eigentümer sind Banken.” Und darüber hinaus gibt es noch viele Schattierungen, mit oder ohne gemeinsamen Marketingaktivitäten.
Investoren-Liebkind auf der einen, Dynamik auf der anderen Seite – wahre Glücksoasen sind die Fachmarktagglomerationen dennoch nicht. Zumal die Dynamik ebenso Schattenseiten aufweist. Drastisches Beispiel: Alle sieben bis acht Jahre brauchts im LEH ein Refurbishment und wenns am Stadtrand eh schön billig ist – warum dann nicht gleich mit dem Supermarkt ein Stück näher zum neuen Kreisverkehr rücken und 100 Meter weiter hinten verhungert infolge das „alte” FMZ?

Geordnete Verhältnisse?

Was die aktuelle Studie von Standort+Markt zweifelsfrei darlegt, ist, dass FMZs einen als öd betitelten, aber im Kern überaus spannenden Teil der Handelslandschaft abbilden – der weiterhin für Zündstoff sorgen wird. Etwa im Kontext Raumordnung, die durch ihre starke Verankerung in der Gemeinde gern für Unordnung sorgt. Gerade eben z. B. in Sachen logistischer Verteilzentren für Onlineriesen: „Es wäre zu hinterfragen, warum die problemlos riesige Flächen bewilligt bekommen”, regt im Kontext von Fairness Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will an.

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