Szenen eines Bewerbungsprozesses: Langwierige und wenig nutzerfreundliche Online-Bewerbungsformulare treffen auf fehlerhafte Bewerberdaten. Hier gewinnt niemand, weder der einstmals motivierte Kandidat noch der Personalmanager, der um seine Besetzungsquoten fürchten muss. In wirtschaftlich angespannten Zeiten eine fatale Lose-Lose-Situation für alle Beteiligten. Grund genug, mögliche Alternativen zu beleuchten – und kritisch zu hinterfragen, inwieweit sie das, was sie versprechen, auch halten.
Das perfekte Bewerbungsdossier ist die erste Baustelle, wenn es für Jungakademiker heißt, nach absolviertem Studium endlich in die Praxis einzutreten. Viel Herzblut, Zeit und Müh‘ werden aufgewendet, um dem Dokument Seele und Persönlichkeit einzuhauchen. Der Verdruss beginnt oft dann, wenn es Zeit wird, die Unterlagen an das Traum-Unternehmen zu versenden: Sehr wahrscheinlich muss nämlich ein umfangreiches Online-Bewerbungsformular befüllt werden. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein, werden manche sagen. Man sollte schon bereit sein, die halbe Stunde oder sogar Stunde extra zu investieren.
Formulare, Formulare …
Dabei wird häufig außer Acht gelassen, dass sich Bewerber im Durchschnitt nicht nur bei einem einzigen Arbeitgeber bewerben müssen, um ein Dienstverhältnis zu ergattern. Umfragen zufolge sind dazu weit mehr als 20 Bewerbungen vonnöten. Ausgehend von den aktuellen Arbeitsmarktstatistiken des AMS, wird sich dieser Richtwert – der gesteigerten Konkurrenz sei Dank – wohl auch noch weiter erhöhen. Somit kann wahrlich nicht von einem einmaligen oder geringfügigen Aufwand die Rede sein. Laut aktueller Best-Recruiters-Studie 2016/17 kann gerade einmal die Hälfte von über 300 getesteten Online-Bewerbungsformularen innerhalb von fünf Minuten abgeschickt werden – und das, obwohl für die Analyse ausschließlich die Pflichtfelder ausgefüllt wurden.
Nichtsdestotrotz verlangt mehr als die Hälfte der 515 für die Studie getesteten Top-Arbeitgeber Österreichs die Bewerbungsübermittlung via Online-Formular. Ein Blick zu den deutschsprachigen Nachbarn legt die Vermutung nahe, dass dieser Wert künftig eher steigen als abnehmen wird. Bewerbungen per Post sind nicht mehr zeitgemäß, E-Mail-Bewerbungen bei Kandidaten beliebt, für Personalabteilungen jedoch eine kaum zu kontrollierende Datenmasse, Online-Bewerbungsformulare sperrig und bewerberunfreundlich. Welche für beide Seiten sinnvollen und praktikablen Alternativen gibt es?
Bewerbung per CV Parsing
CV Parsing (Software, die Texte analysiert und in strukturierte Infos umwandelt) hat den Markteintritt schon Jahre hinter sich; so richtig durchsetzen konnte sich die Funktion bis jetzt allerdings nicht. In Österreich bieten gemäß Best-Recruiters-Studie gerade einmal zwölf Prozent der 515 größten Arbeitgeber dieses Service an – ein Umstand, der in Anbetracht der hohen Fehleranfälligkeit nicht verwunderlich ist. Je nach Dateiformat werden Informationen entweder gar nicht erkannt oder den falschen Feldern im Online-Bewerbungsformular zugeordnet. Das ist nicht nur für Bewerber zeitaufwendig und unzufriedenstellend, sondern in weiterer Folge auch für Recruiter, die oftmals fehlerhafte Daten übermittelt bekommen.
… oder via Social Media-Profil
Social Media-Portale können ein möglicher Mittelweg sein. Die Nutzerzahlen der Business-Netzwerke LinkedIn und Xing etwa wachsen in Österreich kontinuierlich, weswegen sie auch auf Arbeitgeberseite immer häufiger für Recruiting-Zwecke eingesetzt werden. War vor vier Jahren laut Best Recruiters rund jeder vierte Arbeitgeber auf Xing präsent, ist es dieses Jahr schon jeder zweite. Immerhin 13% der 515 Top-Arbeitgeber Österreichs haben schon eine Schnittstelle zu einem oder beiden Social Networks in den eigenen Stellenmarkt integriert, sodass Bewerber ihren aktuellen CV mit einem Klick bequem hochladen können.
Mit nur einem Klick …
Wie spricht man Zielgruppen an, die sich womöglich nicht in besagten sozialen Communitys aufhalten? Dass die User-Zahlen der gängigen Sozialen Netzwerke steigen, heißt noch lange nicht, dass die gewünschte Zielgruppe diese Plattform auch nutzt. Einzelne Arbeitgeber haben daher für spezielle Zielgruppen kreative Recruiting-Kampagnen entwickelt – stets mit dem Ziel, diese so nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten. Das Kinderspital Zürich umwirbt beispielsweise Pflegefachkräfte (auch Wiedereinsteiger) mit einer 60-Sekunden-Bewerbungsoption: Man gibt Name, E-Mail-Adresse, Handynummer und den gewünschten Fachbereich an, lädt ein Portrait hoch und los geht’s; innerhalb der nächsten zwei Werktage wird man telefonisch kontaktiert und kann gemeinsam mit der Personalabteilung die Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten (http://www.kispi-spirit.ch).
Für Kreative hat sich das Österreichische Verkehrsbüro einen Elevator-Pitch rund um die Karriere einfallen lassen: Wer in 140 Zeichen überzeugend darlegen kann, warum gerade er das sprichwörtliche Perfect Match für das Unternehmen ist, wird zum Gespräch eingeladen (https://www.karrierevielfalt.at/quick-bewerbung/).
… oder mittels Gamification
So ansprechend beide Kampagnen sind, bedeuten sie für die Personalabteilung jedoch zweifelsohne einen erhöhten Aufwand in der Bewerbungsbearbeitung. Microsoft setzt dem eine Initiative entgegen, die auf spielerische Art ausschließlich Kandidaten mit der gewünschten Problemlösungskompetenz herausfiltert: Nur wer die mathematische Gleichung lösen kann, bekommt die Telefonnummer des zuständigen Recruiters (https://share.zoomforth.com/a6d5a13d1ed3433).
Das Fazit: Genau darin liegt wohl die Kunst – und damit die Zukunft – erfolgreichen Recruitings. Es gibt nicht mehr nur einen einzigen Kanal, über den Bewerber mit potenziellen Arbeitgebern kommunizieren und umgekehrt. Die Herausforderung für Unternehmen wird sein, herauszufinden, wo sich die gesuchte Zielgruppe aufhält, und sie genau dort abzuholen. Das mag darin münden, dass eine einzige Personalabteilung letztlich Bewerbungen über zehn, zwanzig, dreißig verschiedene Kanäle erhält und diese entsprechend koordinieren muss.
Investieren lohnt sich
Die Investition lohnt sich jedoch: Wer sich hier technisch gut aufstellt, hat im Kampf um die besten Talente die Nase vorn. Aktuell presst die überwiegende Mehrheit der Arbeitgeber ihre Kandidaten nämlich noch in einen einzigen Bewerbungskanal, wie die Best-Recruiters-Studie zeigt: Gerade einmal ein Prozent der 515 größten Unternehmen Österreichs lässt Kandidaten zwischen drei Möglichkeiten wählen. (red)
Infos zu Best Recruiters 2016/17, der größten Recruiting-Studie im deutschsprachigen Raum, finden Sie hier:
www.bestrecruiters.eu
MARKETING & MEDIA
Hollywood: Traditionen der Wiener Fleischer ausgezeichnet
WIEN. Die Dokumentation „Schnitzel und andere...
mehr erfahrenarrow_forward 10.12.2024