Digital gerüstet gegen den Fachkräftemangel
© Christina Häusler
Bei digitalen Kompetenzen denkt man an die Arbeit am PC; digitale Tools sind allerdings fast überall im Einsatz.
CAREER NETWORK Redaktion 19.08.2022

Digital gerüstet gegen den Fachkräftemangel

Die Plattform fit4internet kooperiert mit dem Wifi Wien und will auf allen Ebenen Weiterbildung und Zertifizierung ermöglichen.

••• Von Georg Sander

WIEN. fit4internet hat sich der Steigerung digitaler Kompetenzen verschrieben. Der Arbeits- bzw. Fachkräftemangel in Österreich wird auch 2022 ein Spannungsfeld bleiben; schon 90% der Arbeitsplätze setzen digitale Kompetenzen voraus. Seitens der Wirtschaft ist man sich dessen bewusst, dass die digitale Fitness der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Voraussetzung für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen ist. medianet hat darüber mit fit4internet-Generalsekretärin Ulrike Domany-Funtan und Wifi Wien-Institutsleiter Christian Faymann gesprochen.

medianet: Wie kam es zum sogenannten Kompetenzmodell, was waren die Hintergründe?
Ulrike Domany-Funtan: Ähnlich wie bei den Sprachkompetenzen, dient das Digitale Kompetenzmodell dazu, digitale Kompetenzen einzuordnen – dies auf acht Kompetenzstufen und in Kompetenzbereichen von ‚Grundlagen und Zugang' bis zu ‚Problemlösen und Weiterlernen'. Eine interdisziplinäre Taskforce, in der u.a. auch das Wifi Mitglied ist, kuratiert dieses Kompetenzmodell und arbeitet auch an den Weiterentwicklungen auf europäischer Ebene mit.

medianet:
Welche Kernkompetenzen werden wirtschafts­seitig verlangt?
Christian Faymann: Bei digitalen Kompetenzen denken wir zumeist an den Alltag im Büro und die Arbeit am PC. Dies ist aber nur ein kleiner Bereich, der digitale Kompetenzen erfordert. Unsere Art zu kommunizieren, zu lernen, zu wirtschaften und zu arbeiten verändert sich unaufhaltsam. In vielen Lebens- und Arbeitsbereichen setzen wir Smartphones und Mobile Devices ein. Produkte bestehen zunehmend aus IT-Komponenten und funktionieren vernetzt – Internet of Things.

Wenn Sie heute einem Handwerker bei der Arbeit zusehen, so können sie sehen, wie viele digitale Tools im Einsatz sind: Laser, Entfernungsmesser, Visualisierung von Messwerten, CAD, Steuergeräte für Maschinen, etc. auf der technischen Seite und dazu kommen noch die mobile bzw. digitale Anbindung an Kundenmanagementsysteme und die Buchhaltung. So gibt es kaum Berufe, die nicht auch eine digitale Komponente haben.
Die wesentliche Grundkompetenz im Arbeitsleben heute ist es, mit diesen Systemen möglichst effizient umgehen zu können und sich möglichst schnell auf Neuerungen einstellen zu können.

Domany-Funtan: Aus unserer Sicht muss heute jede Person – unabhängig von Alter, Bildung oder Erwerbsstatus – über Grundqualifikationen im Bereich der Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse, aber auch im Bereich der Digitalen Kompetenzen verfügen. Digitales Allgemeinwissen nach DigComp (European Digital Competence Framework, Anm.) können wir nach vier Jahren Entwicklungsarbeit mit der Dig-Cert Online Wissens­prüfung auf Basis eingehender psychometrischer Validitäts- und Reliabilitätsanalysen nun entsprechend messen und zertifizieren. Das sollte an jedem Arbeitsplatz verbindlich ermöglicht werden.

 medianet: Was sind die Highlights von ‚Digitale Kompetenzen für Arbeit und Alltag'?
Domany-Funtan: Das Dig-Cert als Zertifikat zur Anerkennung digitalen Allgemeinwissens in Beruf und Alltag erfasst digitale Kompetenzen in allen sechs Kompetenzbereichen auf den Kompetenzstufen eins, elementar grundlegend, bis fünf, umfassend fortgeschritten. Es bildet jenen digitalen Wissensstand ab, über den Arbeitskräfte jedenfalls verfügen sollten, unabhängig von Branche, Funktion oder Bildungshintergrund.
Faymann: Mit dem richtig vermittelten Know-how kann sich jeder im Beruf und Alltag wertvolle Zeit sparen. Derzeit fokussiert das Wifi Wien auf Themen wie den effizienten Büroalltag, Angebote für Marketingspe­zialistinnen und -spezialisten, die digitale Unternehmensstrategie oder IT-Security & Datenschutz.

 

medianet: Ziehen wir den Fokus weiter: Inwiefern kann man hinsichtlich Digitalisierung dem Fachkräftemangel auf längere Sicht entgegenwirken?
Domany-Funtan: Wichtig ist aus unserer Sicht, das lebensbegleitende Lernen ernst zu nehmen. Die Digitalisierung schreitet rasant voran, und ohne entsprechendes Grundwissen und grundlegende Anwendungskompetenzen in neuen Technologien werden weder Unternehmen noch Arbeitnehmende mit den Entwicklungen selbst Schritt halten können. Die Coronakrise hat gezeigt, wie vulnerabel wir als Gesellschaft und Wirtschaft sind, wenn wir eine digitale Kluft haben.
Faymann: Das Digitale Kompetenzmodell hilft, den Arbeitsmarkt für alle Beteiligten transparenter und effizienter zu machen. Gleichzeitig bietet das Dig-Cert eine individuelle Standortbestimmung mit der Option, nachfolgende Weiterbildungen systematisch zu erfassen.

medianet:
Welche politischen bzw. bildungspolitischen Maßnahmen wären da denkbar?
Domany-Funtan: Wir sehen derzeit in den EU- und nationalen Förderprogrammen einen starken Fokus auf fortgeschrittene digitale Kompetenzen oder sehr berufsspezifische digitale Kompetenzen. Die Entwicklung digitaler Basiskompetenzen für alle Beschäftigten bis zu einem mittleren Kompetenzniveau wird in Förderprogrammen kaum strategisch berücksichtigt.
Faymann: Die Dig-Cert Kompetenz-Systematik bietet – neben dem Nutzen gegen einen Fachkräftemangel – Fördergebern eine gute Basis, um Kompetenz­ausprägungen zu erfassen und systematisch zu unterstützen. Insbesondere auf den niedrigen Kompetenzstufen kann es hilfreich sein, diese ­bereits durch die schulischen Ausbildungen abzudecken bzw. bei fehlenden Bereichen, zum Beispiel bis Stufe vier, monetäre Anreize zu setzen. Darüber hinaus sind Informationskanäle und Veranstaltungen wertvoll, die die Möglichkeiten und Vorteile digitaler Lösungen auf­zeigen.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL