Transformation im Zeichen der Zukunft
© Arthur D. Little
DOSSIERS Redaktion 09.09.2022

Transformation im Zeichen der Zukunft

Selten zuvor standen Unternehmen vor derartigen Herausforderungen.

Wenn es um substanzielle Veränderungen bei Technologien oder Veränderunngen von Märkten geht, sind die Spezialisten der Unternehmensberater von Arthur D. Little besonders gefragt.

„Oft arbeiten wir an langfristigen Projekten. Dann gibt es wieder M&A-Deals, da zählt jede Stunde”, umreißt Scherr das manchmal hektische Treiben in den Arthur D. Little-Büros. „Da hat ein Unternehmen oft nur wenige Wochen Zeit, ein verbindliches Offert zu legen. Davor möchten Vorstände unsere Einschätzung, ob gewisse Investitionen auch sicher sind und Sinn machen – z.B. im Bereich Cyber Security. Es kann passieren, dass wir dann Fragen von dem Unternehmen am Morgen bekommen und am Nachmittag müssen alle fachlich wasserdicht beantwortet sein.” Ein ganz normaler Arbeits­tag in den ADL-Büros im ersten Wiener Gemeinde­bezirk …
Weshalb die Experten von Arthur D. Little international derart gefragt sind, beantwortet der Blick auf die Biografie von Maximilian Scherr, Partner der Unternehmensberatungsfirma. Er leitet die Bereiche Strategie, Organisation und Innovation am Wiener Standort und berät Kunden insbesondere in strategischen Wachstumsfragen, bei der digitalen Transformation und Informationssicherheit. Mehr als 20 Jahre Expertise im Consulting und in Senior Management-Positionen in Europa, dem Mittleren Osten, Afrika und den USA begründen seinen Ruf als exzellenter Experte.
Im Fokus der Beratertätigkeiten von ADL steht der Überbegriff „Transformation”, unter dem sich auch so mancher CEO nichts Konkretes vorstellen kann. Wer wäre also besser berufen, diese grundlegende Frage besser zu beantworten, als Maximilian Scherr.


medianet:
Weshalb hat man den Begriff ‚Transformation' gewählt und ist nicht beim deutschen Wort der ‚Veränderung' oder ‚Anpassung' geblieben?
Maximilian Scherr: Wenn man dem Wort ‚Veränderung' Adjektive wie ‚fundamental' voranstellt, trifft es das sicher genauso gut. Mir selbst ist die Begrifflichkeit egal, solange deutlich wird, dass wir von einem bewussten Akt einer fundamentalen Veränderung sprechen, die ein Unternehmen, eine Organisation oder vielleicht sogar eine Branche wesentlich betrifft – zum Beispiel in der strategischen Ausrichtung, in der Kostenposition oder im ökologischen Impact. Dazu kommt, dass solche gravierenden Veränderungen meist zu Beginn unterschätzt werden – sowohl in der Tragweite als auch in der Geschwindigkeit. Wenn im nächsten Schritt neue Technologien besser verstanden werden, dann tendieren Menschen dazu, die Geschwindigkeit der Implementierung zu überschätzen, aber den Grad der Veränderung für ihr Unternehmen, ihre Wertschöpfungsketten, ihr Geschäftsmodell zu unterschätzen.

medianet:
In welchen Gebieten unterstützt ADL Unternehmen bei der Transformation?
Scherr: Wir werden oft gefragt, wenn es um substanzielle Veränderungen bei Technologien oder Veränderung von Märkten geht. Was bedeutet es für eine Unternehmensstrategie, wenn sich Angebot und Nachfrage fundamental verändern? Einer unserer Kunden fertigt hochpräzise Werkstücke aus hochfesten Stählen für eine ganz bestimmte Industrie – an wenigen, hochspezialisierten Standorten u.a. in Europa. Jetzt gibt es eine neue Technologie, das Direct Metal Laser Sintering. Dabei wird Metallpulver wie bei einem 3D-Drucker mittels Laser zu einem Bauteil gefertigt. Nun ist es auf einmal möglich, auch auf anderen Kontinenten ein einzelnes Werkstück ‚on Demand' herzustellen. Für die Programmierung der klassischen Maschinen hätte man früher Tage gebraucht, jetzt geht das sehr rasch. Mit dieser neuen Technologie öffnen sich dann neue Möglichkeiten und neue Märkte. Und wir finden heraus, ob man solche Bauteile nicht vielleicht auch im Schiffsbau oder für das neue Spaceship von Jeff Bezos benötigt. Wir bei Arthur D. Little verstehen sowohl die Technologien als auch die betreffenden Märkte. Wir beraten Unternehmen, wie sie sich abseits bisheriger Geschäftsfelder aufstellen sollen, um bestehende Kunden zu behalten und Neues zu entwickeln.

medianet:
Gibt es Branchen, in denen ADL nicht tätig ist?
Scherr: Manche Strategieberater sehen sich gerne als Allrounder, die alles können und wollen. Michael E. Porter, einer der renommiertesten Strategieprofessoren, meinte einst zu Recht, dass Strategie vor allem auch heißt, zu definieren, was man nicht macht. Ähnlich argumentieren oder argumentierten große CEOs wie Steve Jobs. Gutes Management muss fokussieren und entscheiden, was man nicht selbst tut.

ADL macht so gut wie nichts im Bereich klassischer Commercial Excellence, also Vertriebsunterstützung, Sales Pushes oder Pricing im Konsumgütersektor. Wenn es aber darum geht, mit künstlicher Intelligenz ein Modell zu bauen, das Pricing von Commodities, also zum Beispiel gewissen Chemikalien, in Zeiten unsicherer Lieferketten optimiert, dann sind wir da richtig gut.
Wir machen auch keine Organisationsprojekte, bei denen nur Kästchen gefüllt werden – aber sehr wohl welche, bei denen ein Unternehmen inhaltlich neu aufgestellt wird.
Wir sind nicht ‚Everything to Everybody'. Wir sind – auch und gerade in den Augen unserer Kunden – dort stark, wo nachhaltige Veränderungen bei den zugrunde liegenden Technologien anstehen, in Marktstrukturen, entweder auf der Anbieter- oder der Nachfrageseite. Das ist verbunden mit der Fähigkeit, auf das Gegenüber einzugehen.


medianet:
Wie halten Sie die Top-Qualität mit überschau­barer Manpower?
Scherr: Indem wir nicht behaupten, der Spezialist für alles zu sein. Es gibt viele Bereiche, in denen sich mein Kollege Karim Taga bestens auskennt und von denen ich keine Ahnung habe. Ich weiß aber, in welchen Gebieten er besondere Skills hat. Wenn ich seine Fähigkeiten für einen Kunden benötige, hole ich ihn dazu – ich sage dazu gerne ‚schöpferische Ergänzung'. Viele von uns bringen mehr als 20 Jahre Erfahrung nicht nur in Unternehmensberatung, sondern auch in der Industrie mit – das zählt. Wenn man für etwas brennt und seine Neugier nie verliert, baut man über die Jahre ein fundiertes, tiefgehendes Wissen auf, das andere nicht erreichen. Und wir besitzen eine sehr gute Sensorik dafür, was ein Kunde wirklich benötigt – nicht nur, was vielleicht zu Beginn einer Diskussion auf der Wunschliste steht. Außerdem – und das ist auch ein ganz wesentlicher Differenzierungsfaktor – können wir bei Bedarf auf ein weltweites Netzwerk an Spezialisten von ADL zurückgreifen. Für ein Projekt für das oben genannte Unternehmenvon Hochpräzisionsteilen zum Beispiel führten wir insgesamt über 60 Gespräche mit Experten weltweit durch, jeder für sich ein Spezialist für ganz genau definierte Markt­segmente oder Technologien.

medianet:
In welchen Bereichen ist Transformationen nun das Gebot der Stunde?
Scherr: Für mich ist das wie ein Schachbrett, eine Heat-Map, wie der Berater es nennt – Branchen auf der einen und Funktionen auf der anderen Achse. Aktuell gibt es fast keinen Bereich, der nicht betroffen ist: Die aktuelle Krise zeigt wesentliche Herausforderungen, aber auch Chancen, insbesondere für die Sektoren Energie, aber auch IT/Telekommunikation, Finanzdienstleiter oder Reise- und Logistik.

Wenn wir auf Funktionen schauen, dann:

1. Die Supply Chain: Wie sehen Lieferketten aus und wie kann ich sie robuster gestalten?
2. Cyber Security bleibt ein großes Thema und, wie man die Sicherheit seines Unternehmens in einer total vernetzten Welt sicherstellen kann.
3. Der gesamte Komplex der Energieversorgung: Wie funktioniert die Energieversorgung der Zukunft? Von der Generation, über den Transport bis hin zur Verteilung. Hier geht die Tür zur Sustainability auf: Wofür werde ich zum Beispiel in Zukunft grünen Wasserstoff benötigen? Für viele ist grüner Wasserstoff ein Hype-Thema, für andere das Un-Thema des Jahres. Die Wahrheit wird dazwischen liegen. Da gibt es ganz viel zu tun!

medianet: Wie lautet die Kernfrage beim grünen Wasserstoff?
Scherr: Österreich liegt weder am Wasser, noch in sonnenreichen Gebieten, anders als etwa nordafrikanische Staaten oder Südspanien. Wie kann ich grünen Wasserstoff in ausreichendem Maße produzieren lassen und nach Österreich transportieren, damit jener ‚schwerere' Teil der Industrie in Österreich überleben kann?

medianet:
Wobei wir bei der Nachhaltigkeit sind, die für ADL ein großes Thema ist …
Scherr: Absolut. Wobei ich glaube, dass die jetzigen Krisen wieder zeigen, dass der Begriff der Nachhaltigkeit nicht nur eine Umweltnachhaltigkeit umfasst. Unsere Gesellschaft ist Kontinente- und Generationen-übergreifend unterwegs. Das sind Themen, die derzeit ein wenig aus dem Fokus geraten sind. Die Entscheidungen von heute haben Auswirkungen auf mehrere Generationen.

medianet:
Nachhaltigkeit in allen Bereichen?
Scherr: Wir haben auch Kunden im öffentlichen Bereich. Ein konkretes Beispiel dafür ist der Ausbau von 5G in Wien. Telco-Unternehmen wollen Sendemasten dort aufstellen, wo viele Menschen unterwegs sind, wo viel Traffic passiert. Die Stadt wird aber an einer flächendeckenden, guten Abdeckung interessiert sein, auch an Standorten, an denen weniger los ist – wo aber die neuen Technologien für Anwendungen wie Telemedizin eine flächendeckenden Ausbau erfordern. Wir von ADL bringen dann die unterschiedlichen Parteien zusammen und finden ein Modell, das für alle Seiten zufriedenstellend ist.

medianet:
Ein Unternehmensberater fungiert auch als Mediator?
Scherr: Ein guter Berater ist wahrscheinlich auch in der Lage, ein guter Mediator zu sein. Ob er diese Rolle aber immer spielt, ist eine andere Diskussion.

medianet:
Erleben wir gerade das Ende der Globalisierung und des unbegrenzten Wachstums um jeden Preis?
Scherr: Das fände ich etwas zu schwarz-weiß formuliert. Ich glaube nicht, dass es das Ende der Globalisierung ist. Es ist wie eine Bewegung an der Börse: Manchmal gibt es eine Überhitzung, danach wieder eine Korrektur. Natürlich führen Zeiten hoher Unsicherheit dazu, dass sich Unternehmen mehr auf die Sicherheit von Lieferketten fokussieren, um geschäftlich die kommenden Wochen und Monate zu überleben. Wenn sich dann aber sehr viele Unternehmen zu höheren Kosten lokal neu ausgerichtet haben und sich eine gewisse Stabilisierung durch Nachfragerückgang bei den globalen Lieferketten eingestellt haben wird, werden wieder die ersten Unternehmen diese Sicherheit nutzen und sich billigere Ware wieder über längere Lieferketten holen. Das kann aber noch dauern.

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