Ich hatte gerade achtzehn Whisky ohne Eis; ich denke, das ist der Rekord.” Also sprach der walisische Schriftsteller (und Alkoholiker) Dylan Thomas am 9. November 1953 – und verstarb. Was insofern eine Ironie darstellt, als Whisky auf Gälisch „Uisce beathe” heißt, übersetzt „Wasser des Lebens”.
Ob bzw. wie und von wem Thomas’ fragwürdiger Mengenrekord inzwischen gebrochen wurde, ist unbekannt; fest steht hingegen der derzeitige Preisrekord für Whisky: Rund 463.000 € bezahlte ein japanischer Sammler Anfang 2014 bei einer Sotheby’s-Auktion in Hongkong für einen 6-Liter-Dekanter The Macallan M Single Malt Scotch.
Teuer? Sicher, aber dafür präsentiert sich der edle Tropfen in einer von nur vier eigens für diesen Whisky gefertigten Karaffen von Lalique. Mit der traditionsreichen Glasmanufaktur verbindet The Macallan seit Jahren eine höchst erfolgreiche Partnerschaft: Das Gespann hielt auch schon den vorherigen, 2010 erzielten Weltrekordpreis von rund 336.000 €, damals allerdings für eine vergleichsweise bescheidene 1,5-Liter-Flasche des 64 Jahre alten Whiskys. Der Ordnung halber sei freilich festgehalten, dass sich die Preise bei solchen Ausnahmeexemplaren, Menge hin oder her, nicht wirklich vergleichen lassen.
Kostbare Alternativen
Generell gilt bei Whisky-Sammlern die alte Regel: Kaufe stets drei Flaschen – eine zum Trinken, eine zum Aufheben und eine zum Verkaufen, um die anderen beiden zu refinanzieren. Oder, wenn die Finanzen kein Thema sind, zum Tauschen, um die Sammlung zu vergrößern. Einer, der diese Devise meisterlich umgesetzt hat, war der amerikanische Millionär William S. Folsom, der in den zwei Dekaden vor seinem Tod rund 3.000 Flaschen Whisky zusammengetragen hat. Legendär ist sein Lebensmotto: „Die einen sagen, das Wasserglas sei halb voll, die anderen, es sei halb leer. Ich sage, schüttet das Wasser weg und gießt Scotch in das Glas!” Folsoms Sammlung wurde 2009 bei Bonhams versteigert – und erzielte Rekordergebnisse. „Was beweist, dass das weltweite Interesse an alten und seltenen Whiskys seit Jahren stetig steigt”, berichtet Bonhams-Experte Martin Green.
Seit 15 Jahren veranstaltet das britische Auktionshaus mittlerweile vier Sales pro Jahr in Edinburgh, dazu kommen ebenso viele höchst erfolgreiche Auktionen in Hongkong. „Dass die Verkaufsquoten regelmäßig über 90 Prozent betragen, mag daran liegen, dass Whiskyraritäten schon für wenige Hundert Pfund zu haben sind. Solche für mehrere Tausend natürlich ebenfalls”, schmunzelt Green. Wer sich einen Überblick über die Bandbreite bilden möchte, besuche beispielsweise die Website der Londoner Whisky Exchange, wo sich – sozusagen im Freiverkauf – von 20 £ aufwärts bis in den fünfstelligen Preisbereich ein breites Angebot findet. Für jene Whisky-Freunde, die nicht die Katze in der Flasche kaufen wollen, gibt es sogar häufig Miniaturabfüllungen (50 ml, ab rund vier Pfund), die zum Verkosten einladen.
Doch nicht jeder Käufer ist auch ein Säufer, pardon: Whiskytrinker. „Viele betrachten ihre im wahrsten Sinne des Wortes kostbaren Tropfen primär als Investments”, meint Green. „Wer Whiskys der Spitzenklasse kauft, kann sich zwar meist auch leisten, sie zu trinken. Aber angesichts wirtschaftlicher Unsicherheit und niedriger Zinsen sind alternative Anlageprodukte sehr beliebt, unter anderem eben auch Whisky.”
Langfristige Sicherheit
Doch sind – insbesondere im höheren Preisbereich – Wertsteigerungen überhaupt noch möglich? „Kurzfristig sicher nicht”, warnt Green. Und auch langfristig müsse es sich um besondere Raritäten handeln, um nennenswerte Zuwächse zu lukrieren. Zwar erinnert sich der Bonhams-Experte an einen Black Bowmore aus 1964, den er vor 20 Jahren für 200 £ zuschlug und der 2008 erneut für stolze 1.600 £ versteigert wurde, doch solche Entwicklungen seien eher als Ausnahme zu betrachten. Die allgemeine Wertsteigerungsrate liegt deutlich niedriger, und wenn ein Whisky in eineinhalb Dekaden von 240 auf 400 £ klettert, so darf sich der Besitzer schon freuen.
Immerhin stellen die feinen Getreidebrände, die George Bernard Shaw als „flüssiges Sonnenlicht” pries, buchstäblich nicht nur kostbare, sondern auch stabile Investments dar. Denn im Gegensatz zu Wein reift Whisky nicht mehr nach, sobald er – quasi trinkfertig – das Fass verlässt. Durch den hohen Alkoholgehalt, der als Konservierungsstoff wirkt, verändert sich der Geschmack eines Whiskys danach kaum noch. Daher sind auch sehr alte Whiskys noch gut trinkbar, und Investoren laufen nicht Gefahr, beim Öffnen der Flasche eine böse Überraschung zu erleben.
Noch mal zurück nach Fernost: Wer meint, dass nur im angelsächsichen Raum und in der Neuen Welt hochwertiger und höchstpreisiger Whisky gebrannt wird, der irrt. Japanische Destillate verbuchen seit einiger Zeit Rekorde auf internationalen Auktionen – zuletzt etwa The Cockerel, ein 1960er Single Malt aus der kleinen Karuizawa-Destillerie in den Bergen von Nagano. 2013 wurde der Jahrgang in insgesamt 41 Flaschen (à 700 ml) abgefüllt. Damals lag der Verkaufspreis bei 14.700 € pro Flasche, ein Jahr später verlangten Online-Händler bereits 21.000 €, und im heurigen August wurde bei Bonhams Hongkong eine Flasche für fast 105.000 € zugeschlagen.
Für diesen Quantensprung sind – abgesehen von der fraglos erstklassigen Qualität dieses Whiskys – freilich einige weitere Umstände verantwortlich. Zum einen beträgt der lokale Einfuhrzoll 100% auf den Wert der jeweiligen Ware, daher kalkulieren Verkäufer diese Summe in ihre Mindestverkaufspreise bereits ein. Dieselben Gebühren werden natürlich auch fällig, wenn Sammler in Hongkong edle Tropfen aus Europa oder Amerika importieren. Dazu kommt, dass rare Luxusartikel in Fernost besonders begehrt sind und daher für teils exorbitante Summen den Besitzer wechseln. „Whisky wird hier als Premiumprodukt betrachtet”, verrät Fachmann Green. „Er gilt als Zeichen guten Geschmacks und gehobenen Lebensstils.”
Die Hauptursache für den Sensationspreis des Cockerel (der seinen Namen einem holzgeschnitzten Hahn-Netsuke verdankt; jede 1960er-Flasche hat ein anderes Motiv an einem Bändchen um den Hals hängen) ist aber wohl, dass die Karuizawa-Destillerie 2001 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt wurde. Die letzten 365 Fässer (darunter auch der älteste Jahrgang 1960) kaufte die britische Firma No. 1 Drinks auf, und seither schrumpft das Angebot ständig. Insidern zufolge werden die verbleibenden Reste des 1960er Karuizawa in Nobellokalen rund um den Globus um bis zu 500 € pro Glas verkauft.
Es gelten also auch auf dem Whisky-Markt die gleichen ehernen Gesetze, mit denen sich Sammler immer und überall konfrontiert sehen: Die Nachfrage und infolgedessen der Preis hängen von Qualität und verfügbarer Quantität (respektive Rarität) sowie Provenienz des jeweiligen Objekts ab. Daher produzieren viele renommierte Destillerien regelmäßig spezielle „Limited Editions” ihrer besten Whiskys, die dann erwartungsgemäß zu begehrten Sammlerstücken werden.
Zehn Tipps für Neo-Sammler
Wer nun Lust bekommen hat, in die Welt des Whiskys einzutauchen, für den hat der Bonhams-Experte zehn Tipps parat:
1. Kaufen Sie Bücher von Fachleuten. Standardwerke sind etwa „Das Whisky-Lexikon” von Walter Schobert und Michael Jacksons „Malt Whisky”.
2. Kaufen Sie nicht wild drauflos. Definieren Sie Budget, Sammelziele und -strategie, und führen Sie Buch über An- und Verkäufe.
3. Kaufen Sie nur Originalabfüllungen.
4. Kaufen Sie nur Flaschen der Top-Brennereien.
5. Kaufen Sie keinen Whisky, der weniger als zwölf Jahre alt ist.
6. Kaufen Sie Sonderabfüllungen; geeignet ist jede Flasche mit einer Jahrgangsangabe.
7. Kaufen Sie keine Blended Whiskys: Wie hochwertig auch immer, eignen sie sich nicht zum Sammeln, sondern „nur” zum Trinken.
8. Kaufen Sie anfangs Flaschen mit Ladenpreisen um die 100 Euro: Sie sind dem Normalverbraucher zu teuer, haben aber noch Wertsteigerungspotenzial. Mittelfristig hat sich die Preisspanne von circa 70 bis 250 Euro Einkaufspreis bewährt.
9. Vermeiden Sie Literflaschen. Diese sind meist zu groß für Vitrinen, daher bei Sammlern wenig beliebt.
10. Vermeiden Sie auch Keramikkaraffen. Sie sind weniger dicht als Glasflaschen, Alkohol verdunstet, und geringere Füllhöhen reduzieren den Wiederverkaufswert.
Bleibt abschließend nur noch eine grundsätzliche Frage zu klären: Schreibt man Whisky mit oder ohne e? Das, so verrät Martin Green, hängt von der Herkunft des Hochprozentigen ab. „Stammt der Whisky aus Schottland, dann ohne ‚e', stammt er aus Irland oder den USA, dann mit ‚e'.”
••• Von Marie-Thérèse Hartig