••• Von Helga Krémer
Überschwemmungen, Waldbrände und andere Naturkatastrophen rücken alternative Energiequellen mehr denn je in den Fokus von Investoren. Solar-, Wind- und Kernenergie-Unternehmen profitieren bereits davon, dass es zur Dekarbonisierung keine Alternative gibt, wenn man die Erderwärmung eindämmen will. Vor diesem Hintergrund steigt aber auch das Interesse der Anlegerinnen und Anleger am Markt für Wasserstoff, schreiben die Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking
Für die Internationale Energieagentur IEA ist Wasserstoff ein wichtiges Puzzle auf dem Weg zur Erreichung der Klimaneutralität im Jahr 2050, wie es auf der Pariser Klimaschutzkonferenz vor acht Jahren festgelegt wurde. Insbesondere Wirtschaftszweige, in denen sich die Dekarbonisierung als schwierig erweist – etwa die Schwerindustrie, der Fernverkehr, die Schifffahrt und die Luftfahrt –, könnten Nutznießer neuer Technologien rund um Wasserstoff sein.
Das Element Hydrogenium
Wasserstoff, das häufigste und leichteste Element (H2) auf der Erde, ist ein sauber brennendes, farb- und geruchloses Gas. Es hat zwar nur eine geringe Dichte bzw. Volumenmasse, doch die Energiedichte ist fast dreimal so hoch wie die von Diesel oder Benzin. H2 ist ein Energieträger, aber keine Energiequelle – er kann Energie speichern, wodurch er als Batterie fungieren kann, um erneuerbare Energien zu ergänzen und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage zwischen Solar- und Windkraft auszugleichen.
Wofür Wasserstoff?
Da er keine Kohlenstoffemissionen verursacht, hat Wasserstoff die Fähigkeit, fossile Brennstoffe bei der Betankung von Langstreckentransporten wie Lkw, Zügen, Schiffen und Flugzeugen, bei der Speicherung erneuerbarer Energien und Stromversorgungsketten und bei energieintensiven Fertigungsprozessen wie der Stahlerzeugung, der Herstellung von Chemikalien sowie der Zement- und Erdölraffination zu ersetzen.
Der Bereich des Fernverkehrs hat sich aufgrund des zu hohen Gewichts von Lithium-Ionen-Batterien und ihrer unzureichenden Reichweite bei der Dekarbonisierung als besonders schwierig erwiesen. Wasserstoff bietet eine leichte Alternative, die die erforderliche Strecke zurücklegen kann, um den Verkehrssektor näher an Netto-Null-Emissionen zu bringen.
Dazu gibt es zwei wasserstoffbasierte Technologien, die den Bedürfnissen dieser Branche gerecht werden: zum einen wasserstoffbetriebene Motoren, die ähnlich funktionieren wie diesel- oder benzinbetriebene, und zum anderen Wasserstoff-Brennstoffzellen, die Strom erzeugen, indem sie Wasserstoff und Sauerstoff in einer elektrochemischen Zelle kombinieren. Große Fahrzeughersteller wie Daimler, Volvo oder Toyota arbeiten intensiv daran, wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Hyundai hat im Jahr 2023 in Kanada den H2-betriebenen SUV Nexo vorgestellt und testet in den USA einen Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektro-Lkw.
Interessanter Markt
„Insgesamt wurde der globale Markt für grünen Wasserstoff auf 1,1 Milliarden US-Dollar geschätzt und wird voraussichtlich bis 2030 30,6 Milliarden US-Dollar erreichen. In einem Marktbericht geht die Unternehmensberatung Deloitte davon aus, dass der Markt für grünen Wasserstoff bis 2030 den Wert des Marktes für Flüssigerdgas überholen und bis 2050 1,4 Billionen US-Dollar erreichen wird”, ordnet Karl Freidl, Leiter Private Banking Graz, Steiermärkische Sparkasse, die Zahlen ein. Bis zum selben Jahr könnte der weltweite Handel mit Wasserstoff jährlich mehr als 280 Mrd. USD an Exporteinnahmen generieren. Dabei seien die Nachfrage nach brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen und saubere Energiequellen aus der Energiewirtschaft die am schnellsten wachsenden Segmente in diesem Markt.
„Diese beeindruckende Wachstumsprognose ist auf proaktive Regierungen zurückzuführen, die sich auf Null-Kohlenstoff-Emissionen konzentrieren und die Entwicklung des Wasserstoffsektors durch Investitionen in die Infrastruktur unterstützen. Die zunehmende Einführung von Wasserstoff-Brennstoffzellenfahrzeugen, die Entwicklung von Elektrolysetechnologien und die Senkung der Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien unterstützen den Wasserstoffmarkt ebenfalls in hohem Maße”, so Freidl.
Hohe Produktionskosten
Der Banker gibt aber auch einiges zu bedenken: Noch seien die meisten der aktuellen Projekte für grünen Wasserstoff in der vorkommerziellen Phase. Eine der größten Herausforderungen bei der Weiterentwicklung grüner Wasserstofftechnologien seien die Kosten, allerdings würden die Produktionskosten im Laufe der Zeit sinken, was auf kontinuierlich sinkende Kosten für die Erzeugung erneuerbarer Energien, Skaleneffekte, Lehren aus laufenden Projekten und technologische Fortschritte zurückzuführen sei. Dadurch werde grüner Wasserstoff laut einer Analyse des Beratungsunternehmens PwC wirtschaftlicher.
Eine weitere Herausforderung für die breitere Einführung grüner Wasserstofftechnologien sei laut PwC die noch geringe Infrastruktur für die großflächige Wasserstoffnutzung, nämlich Export- und Importterminals und Pipelines; deren Entwicklung dauert mehrere Jahre.
H2 hat nämlich einen Nachteil: Er ist schwieriger zu speichern als fossile Brennstoffe, da er weniger dicht ist und einige Arten von Stahl und Eisen durchdringen kann, sodass diese spröde werden. Der Transport könne ohne Modifikationen per Erdgaspipelines nur zu fünf bis 15% bewältigt werden, so die Experten der Steiermärkischen Sparkasse. „Bestehende Pipelines könnten auf reine Wasserstoffpipelines umgestellt und neue Wasserstoffpipelines gebaut werden, wenn auch beides mit erheblichen Kosten. Die geringe Dichte von Wasserstoff macht den Transport auf der Straße, auf der Schiene oder auf dem Schiff kostspielig. Aber Innovationen und Anreize zur Kohlenstoffreduzierung sollten dies im Laufe der Zeit leichter möglich machen”, mutmaßt Freidl.
In Wasserstoff investieren?
Zurück zum Marktwachstum: Laut BloombergNEF werde das weltweite Angebot an kohlenstoffarmem Wasserstoff bis 2030 um das 30-Fache von derzeit 0,5 Mio. t Kapazität wachsen, wobei die USA mit rund 37% den größten Anteil am Wachstum haben würden. Mehr als die Hälfte dieses prognostizierten Angebots werde grüner Wasserstoff sein, der durch Elektrolyse hergestellt wird. Blauer Wasserstoff werde aber immer noch eine sehr große Rolle bei der Deckung der Nachfrage spielen.
„Anleger sollten ihr Augenmerk auf die weltweit mittlerweile recht zahlreichen Unternehmen legen, die auf sauberem Wasserstoff basierende Technologien zur direktreduzierten Eisenverarbeitung, Elektrolyse zur Herstellung von sauberem Wasserstoff, Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologien, Wasserstoffspeicher- und Verteilungsinfrastrukturen für die Lieferketten sowie Technologien zur Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung entwickeln”, rät der Experte.