Bewegungsspielraum
© leadersnet.at/Christian Mikes
Alexander Wrabetz
MARKETING & MEDIA Redaktion 23.11.2018

Bewegungsspielraum

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz über die Konkurrenz, abzulehnende ­Finanzierungsformen für den ORF und seinen Sender als Motor für die Branche.

WIEN. Anlässlich des neuen Programms sprach medianet mit ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

medianet:
Herr Wrabetz, wie sieht Ihre Zwischenbilanz mit der neuen Channelmanager-Struktur aus?
Wrabetz: Diese für den ORF sehr wichtige Strukturreform beginnt zu greifen, die Aufbruchsstimmung ist spürbar. Die beiden Channelmanager Lisa Totzauer und Alexander Hofer haben sich mit ihrem Team mit großem Engagement an die Arbeit gemacht, und bereits im Frühjahr 2019 wird man neue Programme und Akzente im Programm setzen können. Die Schwerpunkte sind noch mehr Qualität und noch mehr ‚Österreich'. Wir haben die Programmschemata überarbeitet und legen sie nun dem Stiftungsrat zur Genehmigung vor.

medianet:
Medienminister Blümel plädiert dafür, dass gewisse Sportereignisse verpflichtend im Free-TV zu übertragen sind. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass gewisse Groß­events im Free-TV übertragen werden, bzw. sind Sie dafür, dass sie generell beim Öffentlich-rechtlichen zu sehen sind?
Wrabetz: Es gibt die Entwicklung auf dem Sportrechtemarkt, dass einige wenige kapitalstarke Pay-TV-Anbieter mit großen Summen immer mehr Sportrechte erwerben. Summen, bei denen ein öffentlich-rechtliches Unternehmen nicht mithalten kann. In Folge verschwinden beim Publikum beliebte Sportevents hinter Bezahlschranken. Welche Auswirkungen das hat, kann man aktuell etwa bei der heimischen Bundesliga beobachten. Die Forderung nach verpflichtenden Sportevents im Free-TV gilt dabei keineswegs nur für den ORF, auch wenn mit dem ORF, was ja im Interesse aller Beteiligten sein muss, die größte Seherschaft erreicht wird.

medianet:
Bleiben wir gleich beim Geld und der Finanzierung des ORF. Sie kritisieren hier vor allem die Variante, wo das Geld aus dem Budget käme. Welche Gefahren sehen Sie hier?
Wrabetz: Die Gebührenfinanzierung wurde in der Nachkriegszeit eingerichtet, um die wirtschaftliche und damit auch die journalistische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von der Regierung sicherzustellen. Sie ist ein Erfolgsmodell und bis heute in Westeuropa vorherrschend.

Es liegt auf der Hand, dass die Unabhängigkeit und Staatsferne leidet, wenn der Öffentlich-rechtliche Rundfunk jedes Jahr mit der Regierung sein Budget verhandeln muss. Und es ist ja nicht so, dass der ORF mit den Gebührengeldern schalten und walten kann, wie er will. Unsere Finanzgebarung hat sich streng an den Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu orientieren und wird von einer Vielzahl von Institutionen wie der Prüfkommission, der KommAustria, dem Rechnungshof, dem Stiftungsrat uvm. kontrolliert. Der ORF ist eines der meistgeprüften Unternehmen Österreichs.


medianet: Auch der ORF-Redakteursausschuss befürchtet die ‚absichtliche Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Senders – über einen wirtschaftlichen und politischen Zangenangriff'. Kritik gab es aber auch am ORF-Format ‚Europa backstage', welches der 'heimischen Politprominenz eine Bühne zur Selbstdarstellung – fernab jeglicher journalistischer Grundprinzipien' biete.
Wrabetz: Der ORF berichtet in einem umfassenden trimedialen Programmschwerpunkt zur Österreichischen EU-Präsidentschaft insgesamt rund 50 Stunden mit Liveübertragungen, Sondersendungen, Magazinen, etc. – journalistisch und kritisch wie das seine Aufgabe ist.

‚Europa backstage' wirft einen Blick hinter die Kulissen eines auch gesellschaftspolitischen Großereignis in unserem Land, und auch ein solcher muss erlaubt sein. Dass man mit der Finanzierung des ORF keine wirtschaftlichen Experimente machen sollte, sehe ich wie gesagt genauso.


medianet:
Zurück zum neuen ORF-Gesetz. Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass Forderungen nach Dingen wie ‚Web only Fiction' oder dem Ende der sog. 7-Tage-Regel Gehör finden?
Wrabetz: Als das gültige ORF-Gesetz formuliert wurde, gab es noch nahezu keine Smartphones, und Streaming steckte in den Kinderschuhen. Seither hat sich die Mediennutzung massiv verändert. Der ORF hat innerhalb der engen rechtlichen Grenzen gut Schritt gehalten, ORF.at und die TVthek sind österreichische Marktführer. Aber nun ist es Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Und zwar nicht nur für den ORF, sondern für den gesamten Medienmarkt, wenn wir gegen die Konkurrenz von Google, Amazon und Co nicht vollends den Anschluss verlieren wollen.

Der ORF kann hier mit seiner starken Reichweite der Motor für einen großen Entwicklungsschritt sein. Das Projekt ‚Austrian Marketplace', die gemeinsame Online-Werbevermarktung der österreichischen Medienhäuser, geht in diese Richtung. Ein weiteres Zukunftsprojekt ist der ORF-Player, der die ORF-Programme in einer ersten Phase für die Streamingnutzung neu bündeln wird und dann als Basis für einen gemeinsamen ‚Austrian Player' dienen könnte.
Dafür brauchen wir aber auch mehr digitale Entwicklungsmöglichkeiten, wie etwa Online First oder die Aufhebung der ‚7 days Catch up'-Regelung. Wichtig dabei ist: nicht die Regulierungs-Fehler der Vergangenheit wiederholen und einseitig den ORF weiter beschneiden; das nützt nur den internationalen Playern und die brauchen wahrlich keine Medienförderung. (fej)

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL