••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Im Sommer des heurigen Jahres outete der Verleger Horst Pirker eine Inseraten-Bestrafungsaktion des Finanzministerium gegenüber seiner VGN, als das Ministerium als Reaktion auf kritische Berichterstattung einen künftigen Inseraten-Stopp in allen Medien der VGN gegenüber Pirker ankündigte.
Das Finanzministerium dementierte zwar die Aktion, hat sich aber auf ein Storno bezogen, welches Pirker gar nicht behauptet hatte. In Ö1 nannte Pirker es eine Bestrafungsaktion pro futuro und nun, nach dem aufgekommenen Inseratenskandal des Kanzlers, sieht sich Pirker mehr als bestätigt. medianet bat den Verleger zur Causa prima der heimischen Medien zum Interview.
medianet: Herr Pirker, kürzlich schrieb ein Kollege, Sie hätten, als Sie die Ankündigung des Finanzministeriums öffentlich machten, die Werbemaßnahmen wegen kritischer Berichterstattung in Medien der VGN zu stoppen, die Omertà, also so etwas wie das Schweigegelübde der Mafia – in diesem Fall jenes der eigenen Branche –, gebrochen. Haben Sie etwas ausgesprochen, was ohnedies alle wissen, nämlich, dass es für kritische Berichterstattung Sanktionen seitens werbender Kunden aus dem öffentlichen Bereich gibt?
Horst Pirker: Ich kann nicht beurteilen, ob es alle wissen, aber für mich war es jedenfalls keine Überraschung und für Sie auch nicht, nehme ich an.
medianet: Eher nicht und die aktuellen Geschehnisse bestätigen eigentlich nur das, was Sie damals beklagt haben, oder?
Pirker: Ja, ich glaube schon. Es wäre vielleicht auch besser gewesen, wenn der Bundeskanzler zugehört hätte.
medianet: Wie ist das jetzt mit den Inseraten des Finanzministerium in Ihren Medien? Man hat dort eleganterweise Dinge dementiert, die Sie gar nicht beklagt hatten. Hat das Finanzministerium nun sämtliche Werbemaßnahmen in den VGN-Medien gestrichen?
Pirker: Ja, klar. Ausnahmslos.
medianet: Was heißt das jetzt für Ihren Verlag? Sie meinten kürzlich in einer TV-Runde auf Puls24, Sie könnten das verkraften, aber es gebe Medienunternehmen, die das wohl nicht einfach so einfach wegstecken würden …
Pirker: Ja, das ist genau der Punkt. Aber wir sind wirtschaftlich Gott sei Dank so gesund, dass uns das nicht existenziell betrifft. Es ist ‚nur' ein Machtmissbrauch, aber mehr nicht.
medianet: Nun könnte aufgrund der öffentlichen Debatte ein Zeitfenster für echte Reformen aufgehen. Was wären denn Ihre Vorschläge für eine objektivere entgeltliche Kommunikation des Bundes und der Länder?
Pirker: Das ist ganz einfach. Ich habe selbst gedacht, es sei kompliziert, aber letztlich ist es supereinfach. Ich glaube, es braucht zunächst einen Split, nämlich in Medienförderung einerseits und dann in öffentliche Kommunikation andererseits. Die Presseförderung, die ja in der Größenordnung von ca. acht Millionen Euro liegt, die sollten jene bekommen, die es wirklich brauchen, im Sinne der Vielfalt. Also die Kleinen, die eine besonderen Positionierung haben oder die in Nischen leben. Das zweite ist dann die öffentliche Kommunikation; und diese gehört unbedingt auf Basis eines Gesetzes geregelt, wie viel Geld insgesamt zur Verfügung steht, nach welchen Kriterien das Geld vergeben wird und wie die nachgängige Kontrolle samt Sanktionen gewährleistet wird.
medianet: Wie solls gehen?
Pirker: So etwas gibt es bereits bei der Medienförderung, wo es zumindest klare Kriterien gibt, und die Kriterien könnten Experten, Universitätsprofessoren, Richter und andere berufene Persönlichkeiten für die werbliche Kommunikation des Bundes festlegen. Und dann ist es ganz einfach. Erfülle ich als Medium die Kriterien, werde ich in die entgeltliche Kommunikation einbezogen, wenn nicht, dann eben nicht.
medianet: Also nicht eine Ex-post-Regelung, wie bei der Medien-Transparenzdatenbank, die laut diversen Untersuchungen sogar ein Drittel der Ausgaben gar nicht erfasst, sondern eine Ex-ante-Regelung, die gesetzlichen Vorgaben folgt. Welche Kriterien soll es da geben?
Pirker: Ja, es gibt Ideen zu den Kriterien. Wenn wir jetzt nur über die öffentliche Kommunikation sprechen, wird das Thema Reichweite der Medien eine Rolle spielen sollen oder müssen. Dann möglicherweise auch die Affinitäten zu bestimmten Themen und dann wohl auch ein paar Kriterien, wie etwa eine Mitgliedschaft im Presserat, ob man Mitarbeiter in prekären Arbeitsverhältnissen hält oder auch, wie viel Public Value man generiert.
medianet: Schaut man sich die Inseratenverteilung an, so bekommen vor allem die regionalen Medien im Verhältnis weniger – und mit den Reichweiten als Parameter würde das nicht mehr werden …
Pirker: Das ist nicht richtig, die haben oft enorme Reichweiten und nicht selten eine hohe Qualität, sind ethisch nicht nur ausnahmsweise vorbildhaft in ihrem Wirken. Damit würden sie nach den vorhin aufgezählten Kriterien vielleicht sogar mehr bekommen.
medianet: Soll bei den Reichweiten eine Kombi aus Print und Digital gelten?
Pirker: Das kann man getrennt machen oder zusammen messen – das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist einfach, jetzt haben wir eine willkürliche Vergabe von Mitteln nach Gutsherrenart – also: Bist du brav, kriegst du mehr, bist du weniger brav, kriegst du weniger. Und bist du überhaupt schlimm, bekommst du gar nichts. Samt den dazugehörigen Mechanismen wie Drohungen, Erpressungen und, und, und. Das ist tatsächlich nach Mafia-Art.
medianet: Aber diese Zuckerbrot-und-Peitsche-Taktik kennt man in der Branche ja …
Pirker: Aber nur, weil wir es kennen, ist es noch nicht richtig. Wir kennen auch die Tatsache, dass in Wien viele Fahrräder gestohlen werden. Dennoch ist es nicht in Ordnung, dass die Fahrräder gestohlen werden.
medianet: Haben Sie Hoffnung, dass sich etwas ändert? Das Thema wird uns ja allein aufgrund möglicher Prozesse noch jahrelang verfolgen und sicherlich nicht weggehen.
Pirker: Das Thema wird sicher nicht weggehen und deshalb wird sich meiner Meinung nach, aber vielleicht bin ich auch zu blauäugig, etwas ändern.
medianet: Haben Sie nach dem Outen des Finanzministeriums Reaktionen von Kolleginnen und Kollegen bekommen?
Pirker: Das Ganze hat eine öffentliche Diskussion ausgelöst, die dann zu mir zurückgeschwappt ist. Diese war erfreulich und für mich überraschend intensiv. Die Branche selbst hat sich sehr bedeckt gehalten, weil sich die sonst Lautesten ja mit Recht genug fürchten in diesem Kontext.
medianet: In dieser Diskussion werden immer nur die drei großen Boulevardmedien genannt. Bildet das die Situation aber wirklich ab?
Pirker: Wir publizieren gerade ein Buch, in dem Sie Zahlen darüber finden, wie sich die Politik mit Steuergeld die Medien kauft. Sie brauchen dort dann nur nachschauen, das sind nicht nur die drei, da sind auch einige weitere Medienunternehmen mit Millionenbeträgen dabei.
medianet: Das Thema Regierungsinserate beschäftigt uns bereits seit Jahren, auch schon unter sozialdemokratisch geführten Regierungen. Als Folge etwa einer Causa rund um den damaligen Bundeskanzler Faymann und die berühmten sieben Millionen Euro Werbebudget der ÖBB gibt es heute eine Medien-Transparenzdatenbank. Der Makel: Nach diversen Schätzungen wird rund ein Drittel der Ausgaben des Bundes hier nicht erfasst, weil die festgesetzten Kriterien nicht greifen. Ich nehme an, Sie sind für eine Regelung, die alle Ausgaben erfasst?
Pirker: Ja, und ich finde ja auch, dass diese Ex-post-Auswertung sowieso nicht userfreundlich gestaltet ist. Man braucht ein eigenes Studium, um da überhaupt durchzukommen.
Und abgesehen von jenem Drittel, das quasi unter dem Radar bleibt: Es braucht vor allem eine wirksame Regelung, und das ist sie nur dann, wenn sie Rechtsansprüche auslöst und dafür braucht es eben ein Gesetz, das auch überprüfbar ist. Erst dann würde der Missbrauch der Gelder enden.
medianet: Unwirksam ist die Transparenzdatenbank nicht, denn seit ihrem Bestehen gibt es auch öffentliche Diskussionen über die Höhe der Ausgaben von Bund und Ländern. Das Problem ist doch eher, dass es Politiker gibt, denen diese Diskussion egal ist …
Pirker: Das wird es immer geben. Aber wie man aktuell sieht, bewährt es sich ohnedies nicht. Weil, wie man sieht, stolpern jene, die sich unseriös verhalten, früher oder später über ihre eigenen Mängel.
medianet: Kommen wir zu Ihrem eigenen Medienhaus. Sie haben kürzlich erzählt, dass etwa News in den schwarzen Zahlen angekommen ist.
Pirker: Dass News ein mehr als ausgeglichenes Ergebnis schafft, ist für mich selber eine Überraschung. Wichtiger ist aber das Ergebnis der Gruppe und dieses ist sehr erfreulich und wird auch dieses Jahr wieder sehr erfreulich werden. Und deshalb sind wir auch in der Lage, uns zu Wort zu melden, ohne um unsere Existenz fürchten zu müssen.
medianet: Da sind Sie aber einer der wenigen? Ist das nicht bedenklich?
Pirker: Es gibt schon welche, die sich artikulieren. Zum Beispiel die Standard-Redaktion, die das schon sehr kritisch begleitet, oder der Falter und seine Redaktion. Auch wenn man sich die Ö1-Sendung ‚Doublecheck' ansieht, gilt das Gleiche. Besonderen Respekt habe ich vor dem Mut der ‚ZiB2'-Redaktion. Das sind nur die, die mir spontan einfallen. Eugen Russ hat sich letztens sehr deutlich artikuliert, als er gesagt hat, die österreichische Politik erhält ein Freilichtmuseum für Gratiszeitungen und das wurde dann auch vom profil publiziert. Das heißt, es gibt schon einige Leute, auch das Medienhaus Wien, Andi Kaltenbrunner, die kritisch bleiben. Ich bin nicht allein und werde jetzt sowieso belohnt durch die jüngste politische Entwicklung.
medianet: In diesem Zusammenhang sprechen die Kritiker gerne nur vom Boulevard, aber gibt es diese Problem auch in den Qualitätsmedien? Erst jüngst publizierte Chatverläufe in Zusammenhang mit der Presse lassen diese Vermutungen zu. Presse-Chefredakteur Rainer Nowak hat allerdings mehrfach öffentlich versichert, dass nichts im Zusammenhang mit diesen manipulierten Umfragen in seinem Medium publiziert wurde. Haben wir hier ein strukturelles Problem?
Pirker: Ich kann es nicht seriös beantworten. Wenn es stimmt, was Rainer Nowak zum Beispiel kürzlich gesagt hat, nämlich dass er Interventionen entgegennimmt und diese sozusagen bei sich wie in einer Sackgasse enden lässt, ohne sie in die Redaktion zu tragen, dann wäre das durchaus in Ordnung. Ob das so ist, kann ich eben nicht beurteilen. In den Chats klingt es leider doch anders.