Sollen sie doch Brettspiele gewinnen
PRIMENEWS Redaktion 11.03.2016

Sollen sie doch Brettspiele gewinnen

Eine Geschichte, die den Bogen von der Tierliebe über eine geschickte Immobilienaufwertung bis zum Kohlenstoffchauvinismus spannt.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


WERTE. Weil die rot-weiß-roten Werte derzeit in aller Munde sind, eine kleine Querschau: Ab Ende April steigt in Wien wieder die BabyExpo in der Stadthalle: „Über 200 nationale und internationale Hersteller und Händler präsentieren die neuesten Produkte im Baby-Sektor”, heißt es in der begleitenden Aussendung. Parallel dazu, einen Stock drüber, findet die Partnermesse PetExpo statt, wo „alle Produkte und Themenbereiche rund um das Haustier präsentiert werden”. Das sagt auch ein bissl was aus über unsere Werthaltungen.

Teil zwei: Die Wiener Herrengasse wird zur Begegnungszone. So weit, so unspektakulär, sofern man nicht zu den Mariahilferstraßenhysterikern gehört. Das Interessante an dieser Geschichte: Die Finanzierung der Verkehrsberuhigung und Neugestaltung der rund 450 Meter langen Straße zwischen Michaelerplatz und Freyung, an der zahlreiche Palais angesiedelt sind, obliegt nicht der Stadt Wien. Vielmehr sind es die Besitzer eben jener Palais und Liegenschaften, die die verkehrspolitische Maßnahme sponsern. Sie sind es auch, von denen die Initiative ausgeht. Dazu gehören etwa die Immobilienfirmen der Wlaschek-Stiftung, denen die meisten Palais der Herrengasse gehören.
Ein bissl mehr Ruhe vor den Fenstern, das hätten wohl viele Wiener gern. Dann los – wer es schafft, ein paar Millionen auf die Beine zu stellen, der darf sich offenbar auch die passende Verkehrssituation aussuchen. Das könnte die vielgeschmähten Organisatoren von „Rasen am Ring” jetzt durchaus auf Ideen bringen. Crowdfunding für eine FuZo am Ring beispielsweise.

Vom Kapital zur KI

Noch ein Schwenk retour zum Thema des letztwöchigen Kommentars an dieser Stelle – zum Roboter-Boom in Industrie und Gesellschaft. In der Zwischenzeit – und bis zu Redaktionsschluss – hat der weltbeste Go-Spieler in einem aufseherregenden Turnier zwei Partien gegen eine Brettspiel-Software verloren. „AlphaGo” wurde von DeepMind entwickelt, einem KI-Unternehmen, das 2014 von Google übernommen wurde. Der „stärkste menschliche Gegner” in diesem Duell ist der koreanische Großmeister Lee Sedol. Bis jetzt ist der Spielverlauf eine Demütigung en gros und en detail für uns kohlenstoffbasierte Lebewesen. So wie schon anno dazumal, konkret: 1997, als der Schachcomputer Deep Blue den damals amtierenden Weltmeister Garri Kasparow schlug. Go ist, sagen Experten, übrigens deutlich komplexer als Schach. Und die Go-Software, die eben antritt, hat sich, heißt es, am meisten dadurch beigebracht, dass sie gegen sich selbst gespielt hat. So hatten wir uns das auch vorgestellt.

Gut, man muss auch wissen, wann man eine Schlacht verloren gibt, wenn man den Krieg gewinnen will. Beim Gefühl – bei der „Emotion”, wie es im Sportsenderdeutsch heißt – ist uns die Silizium-Intelligenzija jedenfalls immer noch hoffnungslos unterlegen. Wenn einen also, so wie derzeit, das Gefühl beschleicht, dass die ganze Welt irgendwie von allen guten Geistern verlassen zu sein scheint, dann ist das auch beruhigend. Beim Online-Schach weiß man heutzutage oft nicht mehr so recht, wie man dran ist. Aber in Sachen Weltpolitik, da spürt man nach wie vor: Da menschelt es.

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