Weltkrebstag: Boom an neuen Therapien
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HEALTH ECONOMY Ina Karin Schriebl 09.02.2018

Weltkrebstag: Boom an neuen Therapien

Die Arzneimittelforschung im Krebsbereich bringt zahlreiche neue Therapien. Das wirft allerdings auch Fragen der Finanzierung auf.

••• Von Ina Karin Schriebl

Krebserkrankungen sind für etwa ein Viertel der Todesfälle verantwortlich. Wie die anlässlich des Weltkrebstages nun publizierten Daten der Statistik Austria zeigen, gehen sowohl das Risiko einer Neuerkrankung als auch das Sterblichkeitsrisiko zurück, während die Überlebenswahrscheinlichkeit steigt. Trotz sinkendem Neuerkrankungsrisiko wird aber die Zahl der an Krebs erkrankten Personen von 358.000 Erkrankten im Vorjahr auf 458.000 Menschen im Jahr 2030 steigen, schätzt die Statistik Austria. Grund sind vor allem die demografische Entwicklung, da Krebs vorrangig im fortgeschrittenen Lebensalter auftritt, sowie steigende Überlebenswahrscheinlichkeiten durch den medizinischen Fortschritt.

Pro Jahr erhalten in Österreich rund 21.000 Männer und 19.000 Frauen eine Krebsdiagnose. Die häufigste Krebsneuerkrankung war zuletzt bei Männern Prostatakrebs, der mit rund 4.900 Fällen knapp ein Viertel aller bösartigen Neubildungen (23%) ausmacht. Brustkrebs war mit etwa 5.400 Neuerkrankungsfällen (29%) die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. An zweiter Stelle der Neuerkrankungen bei Männern – und seit 2015 auch bei Frauen – folgt Lungenkrebs mit 4.900 Fällen (3.000 Männer, 1.900 Frauen). Sowohl das Erkrankungs- als auch das Sterberisiko an Lungenkrebs nahm in den vergangenen Jahren bei Frauen massiv zu, was eine Folge der zunehmenden Häufigkeit regelmäßigen Rauchens bei Frauen ist. Die dritthäufigste Lokalisation bei Neuerkrankungen war mit etwa 4.400 Fällen (2.500 Männer, 1.900 Frauen) Dickdarmkrebs. Die geringste Überlebensrate gibt es bei Bauchspeicheldrüsenkrebs: Fünf Jahre nach der Diagnose leben nur noch 9,3% der Betroffenen.

Immer mehr Betroffene

Während die Häufigkeit bösartiger Erkrankungen steigt, kann die moderne Medizin zunehmend die Sterblichkeit reduzieren. Weil die moderne Medizin aus vielen Krebserkrankungen chronische Leiden macht, betrifft die Erkrankung aber auch mehr und mehr Menschen. 2012 lebten weltweit bereits 32,6 Mio. Personen im Alter über 15 Jahren mit der Diagnose Krebs. Gleichzeitig nimmt aber auch die Zahl der Krebserkrankungen zu.

Allerdings zeigt sich ein deutliches Gefälle in der Verfügbarkeit neuer und teurer Medikamente zwischen den einzelnen Ländern. Generell gilt wenig überraschend: Je reicher ein Land, desto besser die Versorgung. Während beispielsweise in Finnland alle der modernsten beim Melanom eingesetzten Medikamente uneingeschränkt und kostenfrei erhältlich sind, gibt es sie in Serbien faktisch nicht.
Quer durch alle untersuchten Krebsarten zeigt sich Österreich in einer guten Situation. Eine Kostenbeteiligung der Patienten ist via normale Rezeptgebühr nur für jene Onkologika vorhanden, die außerhalb der Spitäler auf Kassenrezept verschrieben werden. Einzelne Medikamente werden allerdings auch in Österreich nicht verwendet. Da die Onkologie in Österreich auf – zumeist – spezialisierte Krankenhaus- beziehungsweise Klinikabteilungen konzentriert ist, fallen die Kosten vor allem in den Spitälern und damit auf der Seite der Bundesländer an. Denn der Beitrag der Krankenkassen zur Spitalsfinanzierung ist gedeckelt. „Österreich gibt im Jahr pro Person rund 200 Euro für Krebs aus, Polen nur 50 Euro”, sagt Christoph Zielinski, Koordinator des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien. In Österreich lag 2013 laut dem OECD-Bericht „Health at a Glance 2016” die Krebsmortalität bei etwa 240 Todesfällen pro 100.000 Einwohnern, in Polen waren es rund 300 Todesfälle pro 100.000 Einwohner.

Systeme unter Druck

Was die öffentlichen Systeme unter Druck bringt, freut die Aktionäre von Pharmakonzernen: Das Repertoire an Onkologika ist in den vergangenen Jahren schnell und erheblich gewachsen. „Die Entwicklung hat bei manchen Krebsarten die Langzeit-Überlebensraten deutlich gesteigert, öfter aber noch das Leben und die Lebensqualität verbessert”, schreiben die Experten der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO). Auf der anderen Seite sei diese Verbesserung der Behandlungsergebnisse in den vergangenen zehn Jahren auch zu einem erheblichen Preis erfolgt. „Der durchschnittliche Preis für Krebsmedikamente pro Monat Behandlung hat sich von 4.500 US-Dollar (4.085,71 Euro) auf mehr als 10.000 US-Dollar (9.079,35 Euro) mehr als verdoppelt.”

Immuntherapie erlebt Boom

Und die Entwicklung geht weiter: Die neue Immuntherapie bei Krebs mit den sogenannten Checkpoint-Inhibitoren hat das Zeug, die Situation bei mehreren Krebserkrankungen radikal zu verändern. Selbst im fortgeschrittenen Stadium bestimmter bösartiger Erkrankungen scheinen 30% der Behandelten einen langfristigen Effekt zu zeigen. „Für mich ist die Immuno-Onkologie das Aufregendste in der Onkologie und kommt einer Revolution gleich”, sagte Tina Lupberger, Vizechefin der Abteilung für Strategie und Innovation (Onkologie) des US-Pharmakonzerns Pfizer, bei einer aktuellen Tagung in der Schweiz. Nach der sogenannten zielgerichteten Krebstherapie auf der Basis molekularbiologischer Charakteristika des Tumors beim einzelnen Patienten ist es seit 2011 zu einer enormen zusätzlichen Verbreiterung der Behandlungsmöglichkeiten gekommen: monoklonale Antikörper gegen die Oberflächenstrukturen auf Immun- und/oder Krebszellen. Das soll die bösartigen Zellen wieder für den Angriff des Immunsystems der Patienten zugänglich machen. Je nach Tumorart ist das derzeit mehr oder weniger erfolgreich.

Enormer Forschungsaufwand

„40 Prozent aller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gehen derzeit in den Bereich der Krebserkrankungen. Es finden derzeit rund 6.000 klinische Studien an Patienten statt. Rund 800 Wirkstoffe sind in Entwicklung, 80 Prozent davon könnten erste Vertreter neuer Wirkstoffklassen werden”, sagt Lupberger. Der deutsche Pharmakonzern Merck und Pfizer haben einen Checkpoint-Inhibitor entwickelt, der die Interaktion zwischen Krebs- und Immunzellen hemmen soll. „Das ist der Schalter, der die Immunreaktion gegen den Tumor abschaltet”, sagte Kevin Chin, Vizechef der Abteilung für Klinische Entwicklung auf dem Gebiet Onkologie bei Merck.

Dank intensiver Forschung konnte auch der Pharmakonzern Roche in der Krebstherapie bedeutende Fortschritte erzielen. Dahinter steht bei Roche das gebündelte Know-how der zwei Konzernbereiche Pharma und Diagnostik, dem einige hochwirksame, maßgeschneiderte Therapien für Patienten mit speziellen Haut-, Brust- und Lungenkrebsformen zu verdanken sind. Mit dem Ziel, präzise Diagnostik und individualisierte, pharmazeutische Lösungen zusammenzuführen, will Roche die personalisierte Medizin auch zukünftig maßgeblich vorantreiben. „Zielgerichtete und Krebsimmuntherapien stellen eine wichtige Bereicherung in der Behandlung von Krebspatienten dar”, sagt Johannes Pleiner-Duxneuner, Medical Director von Roche Austria. „Um die Behandlung auch zukünftig verbessern zu können, investieren wir kontinuierlich in die Entwicklung innovativer Arzneimittel und Diagnostika”, betont Titus Gylvin, Geschäftsführer von Roche Austria.

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