Zentrum statt Spital
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Die Versorgung im niedergelassenen Bereich soll ausgebaut werden. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (re.) will Krankenhäuser damit entlasten.
HEALTH ECONOMY Katrin Waldner 01.07.2016

Zentrum statt Spital

Die Länder arbeiten daran, die medizinische Versorgung in Zukunft immer mehr in den niedergelassenen Bereich auszulagern.

••• Von Katrin Waldner

LINZ/GRAZ/WIEN. Die Neuregelung der Primärversorgung ist Kern der Gesundheitsreform. Viele Bundesländer planen schon die ersten Schritte und planen Auslagerungen aus den von ihnen finanzierten und meist defizitären Krankenhäsuern. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) hat sich bekanntlich zu einem von Hausärzten getragenen Primärversorgungssystem bekannt.

Ärzte bremsen etwas

Derzeit laufen die Verhandlungen mit der Ärztekammer. Oberhauser wünscht sich, dass ein entsprechendes Gesetz bis Herbst über die Bühne gebracht wird. Bei der Ärztekammer begrüßt man Oberhausers Bekenntnis, stimmt zu, dass die Primärversorgung durch die Vernetzung der Hausarzt-Praxen und durch regionale Abstimmung verbessert werden muss, erwartet sich aber Unterstützung bei der Lösung von Vertragsfragen: „Die sinnvolle Konsensfindung muss auch hier an erster Stelle stehen und darf nicht von den Machtinteressen der Sozialversicherungen untergraben werden”, erklärt Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger.

Die Opposition zeigt sich von der Position der Gesundheitsministerin nicht erfreut: Die Grünen sehen im Gesundheitswesen viele offene Baustellen, mangelnde Fortschritte bemängelt man bei den Neos und dem Team Stronach; Gerald Loacker von den Neos fordert gleiche Leistungen der Krankenkasse für gleiche Beiträge. FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein kritisiert: „Mit den Primary-Health-Care-Zentren soll ein DDR-System implantiert und das bewährte System des Hausarztes ruiniert werden.”
Abseits der Grundsatzdiskussionen ist man in der Steiermark und Oberösterreich schon dabei, das Gesundheitssystem neu zu regeln. „Wir wollen, dass die Steirer gesünder sind und länger leben als der Rest der Welt”, steckt sich der steirische Landesrat Christoph Drexler (ÖVP) hehre Ziele. Im „Gesundheitsplan 2035”, zu dem in Graz kürzlich der erste Dialog stattfand, sind zwei Versorgungsstufen vorgesehen. Außerdem sollen Krankenhäuser Teil der fachärztlichen ambulanten Versorgung werden. Durch den demografischen Wandel und Neuerungen bei der Medizintechnik befinde sich der Gesundheitsbereich im Umbruch. Die Primärversorgung funktioniere nicht mehr so gut, immer weniger junge Ärzte wollen im allgemeinen Bereich bleiben oder am Land arbeiten. Mit dem steirischen „Gesundheitsplan 2035” will man einen Wandel einleiten, der auf drei Eckpfeilern aufgebaut sein soll: telefonischer Erstkontakt, die erste Versorgungsstufe mit der Primärversorgung und die zweite Versorgungsstufe mit ambulanter fachärztlicher Versorgung; außerdem soll eine Hotline eingeführt werden, bei der medizinisch geschultes Personal 24 Stunden erreichbar ist und bei der Patienten anrufen und ihre Probleme schildern können.
An Primärversorgungszentren (PVZ) sollen sich Patienten in Zukunft – wie bisher beim Hausarzt – wenden, entweder spontan oder nach telefonischen Kontakt. In diesen Primärversorgungszentren soll ein Ärzteteam die Versorgung der Menschen übernehmen. Die Zentren sollen am Tagesrand und am Wochenende geöffnet haben und neben Allgemeinmedizinern auch Physiotherapeuten und Krankenpflegepersonal beschäftigen; Pilot­projekte dazu sollen in Eisenerz und Mariazell entstehen, und in der Oststeiermark wird ein Netzwerk-Modell im Pilotversuch aufgebaut.

Spitäler als Facharztzentren

Strukturell soll sich in der Versorgung einiges ändern. Bei der fachärztlichen ambulanten Versorgung sind drei Organisationsformen angedacht: erstens die Fachärztliche Einzelordination, die es auch heute schon gibt; zweitens das Facharztzentrum mit einigen Funktionsbetten zur Überwachung. Dort soll es auch die technische Ausstattung für ein medizinisch sinnvolles Fächerbündel geben. Drittens sollen statt der heutigen Krankenhäuser „Facharztzentren mit technischer Vollausstattung und Betten für längere Pflege und Überwachung” kommen. Der Schwerpunkt der Krankenhäuser solle zukünftig auf den Ambulanzen liegen.

Ausbildung forcieren

Strukturelle Änderungen gibt es auch in Oberösterreich, wo man mit Jahresende 2015 die Linzer Landesfrauen- und Kinderklinik sowie die Landesnervenklinik in das neue Kepler Uni-Klinikum überführt hat. Zur oberösterreichischen Gespag gehören jetzt noch sechs Krankenhäuser mit acht Standorten. Aus den knapp 10.000 Mitarbeitern wurden rund 7.000 – die Gespag bleibt allerdings mit 30% Marktanteil der größte Krankenanstaltenträger in Oberösterreich, der auch auf die Ausbildung von Ärzte-Nachwuchs wert legt. Mit Partnern aus der regionalen Wirtschaft will man dafür Stipendien vergeben, um junge Ärzte in der Region zu halten. Aktuell gebe es zwar noch keinen akuten Mangel, aber in Zukunft sei das zu erwarten, erklärt Gespag-Vorstand Harald Geck. Durchschnittlich müssten bereits jährlich etwa 60 Stellen wegen Pensionierungen nachbesetzt werden.

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