Der geschlossene Ruf nach einem Umdenken
© Metro Österreich / APA-Fotoservice/Pichler
Günther Reifer (CEO Terra Institute), Agrarminister Norbert Totschnig, Xavier Plotitza (CEO Metro) und Thomas Rudelt (Metro-GF Einkauf, v.l.).
RETAIL Redaktion 02.09.2022

Der geschlossene Ruf nach einem Umdenken

Metro lud zur Mittwochsgesellschaft nach Alpbach, wo aktuelle Herausforderungen diskutiert wurden.

••• Von Paul Hafner

ALPBACH. Das Europäische Forum Alpbach ist eine Institution: 1945 als „Internationale Hochschulwochen” ins Leben gerufen, gewann die seither jährlich in dem (ab 1949 namensgebenden) Tiroler Bergdorf abgehaltene Zusammenkunft rasch international an Prestige und etablierte sich als intellektueller, interdisziplinärer „Think-Tank”. Im Laufe der Jahrzehnte nahmen berühmte Gelehrte wie Theodor W. Adorno, Karl Popper, Friedrich von Hayek, Richard Sennett und politische Größen wie Helmut Kohl, Václav Klaus und Ban Ki-Moon als Sprecher teil.

Eine Institution jüngeren Datums ist die „Metro Mittwochsgesellschaft des Handels Edition Alpbach”, die heuer zum nunmehr sechsten Mal in Folge abgehalten wurde – und die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten zum Thema hatte. Dabei diskutierten Metro Österreich-CEO Xavier Plotitza und Thomas Rudelt, Mitglied der Metro-Geschäftsführung und Direktor Einkauf und Supply Chain, mit Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Günther Reifer, Gründer des Südtiroler Nachhaltigkeitskompetenzzentrums Terra Institute.
Themen wie Transparenz („Wissen, was man isst”) und Innovation („Was werden wir künftig essen?”) diskutierend, herrschte zwischen den Teilnehmern besonders in einem Punkt rasch Einigkeit: Dass es einen Systemwandel braucht.

Ruf nach „neuer Denklogik”

„Unternehmen sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung”, machte sich Reifer in seiner Keynote für einen Perspektivenwechsel stark, hielt aber gleichzeitig fest: „Unternehmen sind jetzt gefordert und müssen Risiken und Chancen der aktuellen Krisen erkennen.” Notwendig seien mutige Entscheidungen und neue Denklogiken – etwa in der Produktentwicklung. „Eine moderne Form der Unternehmensführung ist gefragt, welche das Thema Lieferketten, aber auch den Fachkräftemangel beinhaltet. Wir müssen zu einer neuen Denklogik der Wirtschaft im Verbund mit der Natur kommen.” In der Wirtschaft müssten eine Zeitenwende und ein „Systemchange” vollzogen werden, so Reifer.

Gemeinsame Lösungen

Plotitza betonte die Krise als Chance zur „Neugestaltung der Zukunft” und sprach der Transparenz zentrale Bedeutung zu: „Als verantwortungsvoll agierendes Handelsunternehmen sehen wir es als oberstes Prinzip, transparent zu agieren. Das ist auch für unsere Kunden das Wichtigste: Transparenz in der Versorgungskette, vor allem in Zeiten der Bedrängnis”, gab ­Plotitza als Unternehmensparole vor.

An Reifer anknüpfend, erklärte er den „umfassenden Change in der Versorgungskette” zur „globalen Herausforderung”, der man sich stellen müsse. Dabei gehe es nicht nur um Lieferschwierigkeiten, sondern auch um Alternativen, die entwickelt oder wiederentdeckt werden müssen, „ein klares Bekenntnis zu Diversität”. Für Metro im Speziellen heiße das: „Auch die Nähe zu unseren Kunden spielt eine wesentliche Rolle, denn wir lernen von ihnen und sind dadurch wiederum in der Lage, sie schneller und besser zu informieren und Lösungen anzubieten.”
Wichtig sei die Frage „Was kann jede und jeder tun?” und, auf Metro gemünzt: „Was können wir gemeinsam mit unseren Kunden tun?”. Diese Fragen zu erörtern und handelnd zu beantworten, sei für Plotitza „Ausdruck einer zeitgemäßen und modernen Unternehmensführung in unsicheren Zeiten”.

Förderung für Agrarsektor

„Die Lebensmittelversorgung in Österreich ist derzeit gesichert”, versicherte Totschnig einmal mehr. Dass dem so sei, verdanke man „unseren Bäuerinnen und Bauern, die tagtäglich Lebensmittel höchster Qualität produzieren, wie auch der gesamten Lieferkette, die dafür sorgt, dass die Produkte Konsumentinnen und Konsumenten zur Verfügung stehen”.

Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass diese Kette auch in Krisenzeiten funktioniert; Pandemie und Ukrainekrieg hätten „die Bedeutung der Eigenversorgung mit Lebensmitteln noch stärker in den Fokus gerückt”, und die Produktion in Österreich zu halten, müsse „unser aller Ziel sein”. Exemplarisch dafür führte der Landwirtschaftsminister auch das 110 Mio. € schwere Versorgungssicherheitspaket ins Feld, das Mitte Juni auf den Weg gebracht wurde.
Totschnig: „Damit können wir die gestiegenen Betriebsmittelkosten etwas abfedern, damit die Betriebe weiter produzieren und uns mit regionalen Lebensmitteln versorgen können.” Bei der Stärkung der heimischen Landwirtschaft nehme aber auch der Lebensmittelhandel eine „wichtige Rolle” ein; hier setze man „auf Partnerschaft auf Augenhöhe”.

Weitblick macht sich bezahlt

„Rohstoffmangel, Kapazitäts­engpässe durch mangelndes Fachpersonal und zusätzliche Lieferengpässe durch Fahrermangel in der Logistik”, zählte Rudelt die zentralen täglichen Herausforderungen auf, die sich dem Großhandel in der Beschaffung stellen. Ob es sich um globale oder lokale Beschaffungsmärkte handle, spiele „fast keine Rolle, hinzu kommen die immens gestiegenen Energiepreise”. Man fokussiere aber darauf, „agil und vorausschauend zu entscheiden. Das bedeutet auch, dass wir sehr oft in ein erhöhtes Beschaffungsrisiko gehen.” Gelohnt habe sich der Weitblick beim Speiseöl, wo man dank „Forward Buying” am Weltmarkt und entsprechenden Lagerkapazitäten zusätzliche Volumen erlangt habe.

Das Augenmerk gelte weiters auch der von Kundenseite stark nachgefragten Regionalisierung; mit „langfristigen Kontrakten und vernünftigen Zahlungsbedingungen” würden hier laufend weitere Schritte gesetzt – und gleichzeitig kleine Landwirte und Produzenten gestützt.

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