„Hoffen auf mittelfristige Rückkehr zur Normalität”
© Berglandmilch
RETAIL Redaktion 09.02.2024

„Hoffen auf mittelfristige Rückkehr zur Normalität”

Berglandmilch-Chef Josef Braunshofer über Preisfragen, Dekarbonisierung, Markenstärke und Innovationen.

••• Von Chris Radda und Paul Hafner

Noch vor gut einem Jahr herrschte in der österreichischen Lebensmittelproduktion solide Katastrophen­stimmung: Infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine ging über viele Monate das Gespenst eines No-Gas-Szenarios um – ein Szenario, das besonders für die stark von Erdgas abhängige heimische Milchwirtschaft eine große Bedrohung darstellte und zum Handeln zwang.

Die Berglandmilch, der größte Molkereibetrieb des Landes, entschloss sich, sich vom teuren Gas unabhängig zu machen – ein Vorhaben, dem man mittlerweile schon recht nahe gekommen ist, wie Berglandmilch-Geschäftsführer Josef Braunshofer medianet-Herausgeber Chris Radda im Rahmen der retail.conversations erzählt. Was sich Braunshofer für die Zukunft am meisten wünscht: „Die mittelfristige Rückkehr zur Normalität.”

Hackschnitzel statt Erdgas

„Wir haben damals nicht gewusst, ob wir Gas haben werden – nicht nur wir als Molkerei, sondern der Staat Österreich und auch viele andere europäische Länder”, erinnert sich Braunshofer an die Situation, die mit dem Einfall Russlands in die Ukraine im Februar 2022 einsetzte – und zwar letztlich keinen Versorgungsausfall, doch eine massive Verteuerung zur Folge hatte.

„Wir standen vor der Frage: Stellen wir jetzt um auf Öl? Das haben wir dann nicht getan, sondern die Entscheidung getroffen, beim Erdgas zu bleiben, aber gleichzeitig den Umstieg auf Biomasse zu forcieren”, erklärt Braunshofer. Gesagt, getan: „Mittlerweile laufen drei unserer großen Werke auf Hackschnitzel, zuletzt haben wir vor drei Wochen jenes in Aschbach bei Amstetten – das größte – umgestellt, zwei Monate davor jenes in Feldkirchen im Mühlviertel. Und das Werk in Wörgl in Tirol läuft ohnehin seit 2007 auf Hackschnitzel.”
Damit nicht genug, sollen „im ersten Quartal nächsten Jahres das Werk in Klagenfurt und ein Jahr später jenes in Voitsberg” umgestellt werden – „und damit sind wir dann im Bereich der Wärmeerzeugung quasi dekarbonisiert”. Den Strom bezieht die Berglandmilch zu 100% aus heimischer Wasserkraft – somit befindet sich das Unternehmen auf dem Weg zur fossilfreien Produktion.

Jahresfazit: „Durchwachsen”

Wiewohl sich die Berglandmilch mit starken Marken wie Schärdinger, Stainzer und Lattella im Kampf gegen die inflationsbedingte Kaufzurückhaltung und steigende Nachfrage nach Preiseinstiegsmarken verhältnismäßig gut behaupten konnte, sei das Jahr 2023 in Summe „durchwachsen” gewesen, resümiert Braunshofer. Auch für heuer könne man angesichts des Kostendrucks inkl. knapp zweistellig gestiegener Lohn- und Gehaltskosten sowie weiterer notwendigen Investitionen noch keine Entwarnung geben.

Trotz aller Vorsicht lässt Braunshofer aber durchaus Optimismus anklingen: „Durch das allmähliche Sinken der Energiekosten hat sich auch das eine oder andere Verpackungsmaterial preislich wieder nach unten bewegt – zwar noch nicht auf das Vor-Corona-Niveau, aber doch deutlich weg von dem Höchststand im Winter 2022. Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass sich die Inflation noch auf deutlich niedrigeren Niveaus einpendeln wird.”

Kein Inflationstreiber

Was die Inflation angehe, gebe es „viele Erklärungen” dafür, warum diese in Österreich noch höher ist als in anderen Staaten, aber eines sei klar: „Die Lebensmittel sind’s jetzt jedenfalls nicht mehr. Wir haben in einigen Produktbereichen, um nicht zu sagen in allen Produktbereichen preislich nachgegeben.” Besonders deutlich nach unten gegangen seien etwa die Butterpreise, „aber auch alle übrigen Molkereiprodukte. Und darin liegt eine wichtige Botschaft an die Konsumenten: Unsere Produkte sind leistbar.”

Neben kostenseitigen Erleichterungen hänge dies auch mit der internationalen Preissituation zusammen; man habe auch die Bauernmilchpreise zurücknehmen müssen, räumt Braunshofer ein. „Das hat unsere Bauern nicht gefreut,aber wir sind in Österreich preislich nicht allein, sondern müssen uns stark am deutschen Markt und an die deutschen Preisverhältnisse orientieren.”

Auf die Marke kommt’s an

Wenngleich die angesprochene Markenstärke der Berglandmilch auch durch die multiple Krise geholfen hat, sei die Marke zweifellos „schon stärker unter Druck als früher”, sagt Braunshofer mit Blick auf den Trend zum Billigkauf. „Wenn Sie als Konsumentin oder Konsument medial dauernd hören, dass alles so teuer ist, ‚kauft doch billig', dann glaubt das der Konsument irgendwann einmal. Wir sehen die Botschaft kritisch, denn sie kommt einer Reduktion des Werts eines Lebensmittels auf den Faktor Preis gleich”, kritisiert der Konzernchef. „Unter dieser Diskussion leiden wir, da haben wir bei den Markenprodukten – unter Anführungszeichen – schon einmal mehr gelacht.”

Die sinkende Inflationsrate samt zurückgehender Preise gebe Anlass zur Hoffnung, „dass wir da nächstes Jahr wieder ein bisschen Boden gewinnen können”, doch sei man als Hersteller „extrem gefordert – in Bezug auf Design, Produktinnovation und Verpackung”. Es gehe darum, den Konsumenten „etwas zu bieten, wo sie sagen: Ja, es ist mir das wert, ich greife zur Marke.”

Mehrweg und Aufschnitt

Apropos Innovation: Für 2024 hat die Berglandmilch den Convenience-Bereich im Blick, u.a. im Käsebereich („Die Konsumentin von heute liebt Scheiben”), außerdem steht ein Ausbau der Mehrwegglas-Range an.

Den gesamten medianet retail.conversations-Beitrag sehen Sie hier: https://tv.medianet.at

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