Nachhaltig, edel und natürlich
© Andreas Tischler (3)
Die Wiener Boutique ist nicht nur bei ausländischen Shopping-Touristen beliebt, gute Umsätze hat man in den beiden letzten Jahren auch mit einheimischen Kunden gemacht.
LUXURY BRANDS&RETAIL irmie schüch-schamburek 07.04.2023

Nachhaltig, edel und natürlich

Longchamp-CEO Jean Cassegrain ist überzeugt, dass es derzeit noch keine echte Alternative zu Leder gibt.

Wien/Paris. Anlässlich des Re-Opening des Wiener Flagship-Stores bat medianet Jean Cassegrain, CEO und Inhaber von Longchamp, zum Gespräch über aktuelle Trends und Strategien. Dabei verriet er auch, wo er die Parallelen zwischen Wiener Schnitzel und seinen edlen Lederprodukten sieht.

medianet:
Longchamp zählt zu den mittlerweile raren Familienunternehmen in der Luxusbranche. Worin sehen Sie diesbezüglich die Vor- und Nachteile?
Jean Cassegrain: Der Vorteil ist ohne Zweifel die große Autonomie. Wir sind finanziell unabhängig – von der Börse, von Shareholdern –, müssen nicht dreimal jährlich unsere Resultate präsentieren und können daher langfristige Strategien verfolgen. Außerdem haben wir dadurch eine größere Kontinuität und Stabilität. Die Kehrseite ist jedoch, dass wir unter keinem Schutzschirm eines großen Konzerns stehen und uns daher auch nicht mit anderen Konzernmarken austauschen können, die ähnliche Herausforderungen wie wir meistern müssen oder uns durch Synergien unterstützen könnten. Letzten Endes geht es uns aber sehr gut und wir haben kein Interesse, etwas daran zu verändern.

medianet: Welchen Stellenwert hat der Wiener Shop bzw. Österreich für die Marke?
Cassegrain: Wir haben zurzeit zwei Geschäfte – in Wien und Salzburg – und werden demnächst in der Shopping City Süd einen weiteren eröffnen. Wien ist interessant, da wir neben Touristen auch sehr viele lokale Kundinnen haben. Die letzten beiden Jahre waren fast keine Touristen da; dank des Interesses der lokalen Käuferinnen konnten wir das aber gut kompensieren.

medianet:
Glauben Sie, dass sich langfristig das Kaufverhalten verändern wird?
Cassegrain: Ich glaube, dass die Kundinnen immer umweltbewusster werden und dass sie weniger, aber bessere Qualität kaufen möchten. Dies bedeutet aber auch, dass sie durchaus bereit sind, für außergewöhnliche Handwerkskunst, faire, nachhaltige Produktion und lange haltbare Waren höhere Preise zu zahlen.

medianet:
Es gibt im Moment zwei Tendenzen – jene zu veganen Produkten und jene zu natürlichen Materialien. Wie ist Ihre Erfahrung?
Cassegrain: Leder ist nachhaltig, erneuerbar, lang haltbar, bio – es hat sehr viele Vorteile, aber es gibt natürlich kein Argument gegen die ethische Philosophie, nur vegane Produkte zu verwenden. Diesen Kundinnen bieten wir unsere Nylonprodukte. Wir waren übrigens die erste Marke, die Gepäck aus Nylon machte, damals ein sehr neues, innovatives Material.

medianet:
Wie nachhaltig sind diese Produkte?
Cassegrain: Wir verwenden fast ausschließlich recyceltes Polyamid und Polyester, das beispielsweise aus Fischernetzen, Teppichböden, Teppichen oder Industrieabfällen gewonnen wird. Das Material ist extrem leicht und sehr robust und somit durchaus eine gute vegane Ausweichmöglichkeit. Wir konnten durch die recycelten Materialien den CO2-Ausstoß der Produktion um 20 Prozent verringern. Auch unser Leder ist nachhaltig, da wir es ausschließlich von Tieren aus der Lebensmittelproduktion beziehen. Solange es also Menschen gibt, die Wiener Schnitzel lieben, ist es eine gute Sache, die dabei anfallenden Nebenprodukte, wie Leder, zu verwerten. Wir suchen natürlich auch immer nach Alternativen, doch zurzeit gibt es nichts Gleichwertiges.

medianet:
Überlegen Sie, auch Produkte aus ‚veganen' Leder herzustellen?
Cassegrain: Ich möchte zuerst richtigstellen, dass es ‚veganes' Leder nicht gibt, denn dann ist es kein ‚Leder'. Darüber hinaus besitzt Leder Eigenschaften, die künstlich kaum reproduzierbar sind – beispielsweise die Langlebigkeit. Es gibt natürlich viele vegane Alternativen. Diese können jedoch mit den Grundeigenschaften von Leder, wie der Haltbarkeit und/oder Umweltverträglichkeit, nicht mithalten. Insbesondere Sky, das aus Erdölderivaten besteht. Im Übrigen sind auch in Apfel- oder Ananas-Lederalternativen Erdöl- sowie andere schädliche Komponenten enthalten. Es gibt noch textile Alternativen, beispielsweise Baumwoll- oder Leinentaschen, die wir auch in unseren Kollektionen anbieten, doch die Haltbarkeit ist auch viel geringer.

medianet:
Denken Sie daran, Ihr Sortiment zu erweitern, wie es etliche Global Brands in den letzten Jahren gemacht haben?
Cassegrain: Wir haben das auch schon seit einigen Jahren praktiziert. Insbesondere der Store in Wien präsentiert eine sehr umfassende Auswahl an Prêt à Porter-Modellen. Auch unsere Brillen, die nicht nur in den Monobrand-Stores, sondern auch bei Optikern erhältlich sind, gehen sehr gut. ­Darüber hinaus planen wir aber keine Erweiterungen unserer Sortimente.

medianet:
Was ist Ihre Vision für die Marke Longchamp für die Zukunft?
Cassegrain: Ich leite unser Familienunternehmen in dritter Generation, und mittlerweile sind auch zwei unserer Kinder in vierter Generation schon eingebunden. Ich möchte gerne unsere Unabhängigkeit, unser französisches Flair und natürlich den familiären Charakter unseres Hauses erhalten. Unabhängigkeit verlangt auch steige Weiterentwicklung, um als Global Player bestehen zu können. Das erfordert zwar einerseits, unsere Tradition zu erhalten, aber zugleich unseren Optimismus und unsere Weltoffenheit dafür zu nutzen, eine erfolgreiche Reise in die Zukunft anzutreten.

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