Sie sind hier

Networking – nur andersrum.

10
0
Erstellt von Markus Gull on 10/07/2023

Networking – nur andersrum.

Immer wenn das zweite Halbjahr eine Woche alt ist, teilen sich zwei seltsame Vögel einen Geburtstag. Ringo Starr ist der andere.

Worüber wird er heuer nachdenken? Ganz ehrlich, mit 83 gibt’s ein paar Fragen, die liegen auf der Hand. Wie oft werde ich noch mit meiner All-Star-Band auf Tour gehen, zum Beispiel. Solche Sachen fragen wir uns doch alle früher oder später, immer wieder, sinngemäß, nicht wahr?

Was wird noch kommen?

Was geht sich denn überhaupt noch aus?

Was möchte ich unbedingt, eigentlich, irgendwann noch …?

Was will ich noch dringend wissen, was noch lernen?

----------------------------

Zu faul zum Lesen? Dann hör mir zu.

Im Blogcast lese ich Dir diesen aktuellen Blogartikel vor, gleich hier bei Apple PodcastSpotifyAmazon MusicSoundcloud und natürlich auf meiner Website.

----------------------------

Welche Kapitel meiner Geschichte müssen noch geschrieben werden, damit sowas Ähnliches wie ein Happy End entsteht, weil ich mich in einen wenigstens halbwegs gelungenen Menschen verwandeln konnte? Heldenreise halt, nur eben in echt.

Nun gut, jemand muss es aussprechen, und ich hasse es, dass ich derjenige bin: Die Lebenszeit wird auch für Genies nicht mehr. Deshalb empfiehlt es sich, die Zeit, die bleibt, mit größter Genauigkeit zu nützen, also in weiten Bereichen vermutlich anders als bisher.

Weil wir bereits die Heldenreise ansprachen, sei bei Joseph Campbell geborgt: „Wenn du die Welt verändern willst, muss du ihre Metaphern verändern.“ Damit etwas geschieht, damit sich etwas verändert, müssen wir eine Story dazu haben, oder die Story, die wir haben, erneuern. Das gelingt schnell, in dem wir ein paar unserer althergebrachten Geschichten in eine neue, bessere Perspektive drehen.

Beginnen wir aus gegebenem Anlass mit der Story von der Bucket List, die so genannte Löffel-Liste. Auf der steht fein säuberlich geschrieben, was man doch wenigstens einmal im Leben erleben, was man unbedingt noch machen möchte, bevor man den Löffel abgibt. Aus den allermeisten dieser Vorhaben wird, richtig: nichts. Das kennen wir alle von unseren Neujahrsvorsätzen. Mit einem Mal wird klar, wenn ich mit 83 noch nicht Schlagzeug spielen kann, wird’s hektisch …

Drehen wir doch mal diese Story um, legen wir uns Die umgedrehte Bucket List an. Sie folgt einer meiner liebsten Kreativ-Methoden, die in verblüffender Häufigkeit funktioniert. Der Kniff lautet: „Versuche mal das Gegenteil von dem, was du bisher getan hast.”

Auf der umgedrehten Bucket List befindet sich somit alles, was wir ab sofort ganz absichtlich und aus gutem Grund nicht mehr tun werden, damit Raum für das, was wir tun wollen, entsteht.

Der Story-Umdreh-Trick gelingt in vielen unterschiedlichen Themenfeldern.

Um beim Thema zu bleiben: Gut ins Alter kommen, also möglichst lange jung & vital sein und dann Vintage werden, hat viel mit allem zu tun, was wir essen, aber vermutlich noch mehr damit, was wir NICHT essen (und NICHT trinken). Die umgekehrte Shopping List also. Man könnte sagen: da steht drauf, worauf wir verzichten. Im Story-Umdreh-Trick allerdings: wovon wir uns befreien.

Befreien können wir uns in Tat und Wahrheit von einer ganzen Menge.

Auf meiner „Mache ich nicht mehr”-Liste leuchtet prominent die Zusage auf Einladungen „zu einem Austausch bei einem Kaffee”. Das Ergebnis dieser Austauscherei ist nämlich in knapp 100 Prozent der Fälle, dass der Austausch recht einseitig erfolgt. Die Fragen meiner Gesprächspartner werden gegen Antworten von mir getauscht. Mit anderen Worten: Ich liefere ein bis zwei Stunden Beratungsleistung gratis und bezahle danach den Kaffee für alle, old school wie ich nun mal bin und bleibe.

Und dann noch: Networken & Smalltalk. Diese Unkulturtechniken stehen Zeit meines Lebens ganz oben auf der Platinum Edition meiner umgedrehten Bucket List. Bereits wenn ich an Networking Events denke und an den dort abgesonderten Smalltalk, mit dem einem vollmundig die Ohren abgekaut werden, befällt mich augenblicklich eine Ganzkörperphimose der Extraklasse.

Aber selbst das könnten wir umdrehen.

Die Geschichte, die sich die Networker:innen dieser Welt selbst erzählen, lautet nämlich: „Nichts wie hin, dort sind wichtige Leute, da kann ich Kontakte knüpfen, sonst versäume ich was, denn da ist eine Menge drin für mich.” Stimmt’s?

Diese Spielart der instrumentellen Vernunft, alles und jeden zu vernutzen, zu benutzen und eben zu instrumentalisieren, immer zu sehen, was denn wohl drin ist für einen selbst, was man denn für sich alles herausholen kann, abgreifen, absahnen und abgarnieren – das ist ein wucherndes Ur-Übel in unserer Gesellschaft und im Business sowieso. Tatsächlich, was Business betrifft, ein Widerspruch in sich. Und sonst auch.

Networken?!? My ass! – Das ist doch nur ein geschmeidigeres Wort fürs Benützen anderer Menschen als Objekte, als Betriebsmittel, als Hebel. Flugs nimmt man so anderen und sich selbst die Würde. Was das bedeutet, hat der wunderbare Professor Gerald Hüther in einem lebensbereichernden Buch unter dem Titel „Würde“ brillant beschrieben. Du solltest das Buch jetzt(!) lesen. Wenn du einen Vortrag von Gerald Hüther erleben willst, gelingt das vielfach online, etwa hier.

Die Zeit du die dafür investiert, bekommst du vielfach verzinst zurück. Unter anderem, weil du dich danach nicht mehr selbst beim Networken verplemperst.

Die Rechnung ist ja recht einfach: Wenn man sich an einem Ort trifft, um etwas auseinander herauszuholen, gehen alle irgendwie leer nachhause, hohl. Ausgehöhlt, ausgelutscht, mit wichtigen Kontakten angefixt, die für einen dann wichtig sind, oder für die man selbst dann wichtig ist, wenn im Gegenüber noch was drin wäre, was es zu benützen gäbe. Angefressen aber ausgehungert, denn wie heißt’s in „Der König der Löwen”: „Der Bauch einer Hyäne ist niemals voll.”

Allerdings: würden wir uns die Network-Story andersrum erzählen, gingen wir alle erfüllt heim. Also: „Da muss ich hin, dort sind engagierte Leute, die versäumen sonst was ohne mich, denn für die kann ich viel einbringen.” Verändere die Story, verändere die Welt.

Das wär’ was: NEW STORY-Networking nach dem Modell von „Der König der Löwen“ – minus Hyänen. Erinnerst du dich an die Szene, in der der kleine Simba neben seinem Vater an der Klippe steht? Er blickt hinunter ins unendlich weite Revier und mit wohlig-wonniger stolzer Vorfreude sagt er: „Einmal wir das alles mir gehören.” Mufasa, der alte König der Löwen, sagt daraufhin: „Während andere nach dem suchen, was sie nehmen können, sucht ein wahrer König nach dem, was er geben kann.”

NEW STORY-Networking für wahre Könige, das wär’ doch was!

Wenn du zu den ersten drei Veranstaltern gehörst, die so einen Event auf die Beine stellen, gebe ich dort eine Opening Keynote und verzichte auf mein Speaker-Honorar, als Geschenk zu Ringos nächstem Geburtstag. Deal? – Hakuna Matata!

Somit wären wir wieder bei Ringo, dem Unvergleichlichen. Das, was er einbrachte, als Spätberufener in der Gruppe der Jungs aus Liverpool, erwies sich als der entscheidende Funke, der die vier schließlich zu den Beatles machte.

John & Paul als kongeniales Songwriter-Duo, inspiriert vom Rock’n’Roll und ihrer Liebe zum R&B aus Motown, von innerer Rivalität beflügelt, das sich so selbst in ungeahnte Sphären hob, um dort im Prinzip das zu erfinden, was wir längst Popmusik nennen: grandios begabt.

George, der stille, kluge, mannigfaltig inspirierte, der fabelhafte Gitarrist und Songwriter: phänomenal talentiert.

Aber erst als Ringo dazu kam entstand das Momentum. Warum? Weil Ringo ein ganzes Paket einbrachte, das alles andere ergänzte, nährte, vervollständigte, verband. Google dir mal Videos, in denen andere Weltklasse-Drummer-Heroes über Ringo sprechen. Das, was dieser seltsame Vogel mit seinem minimalistischen Drum Kit aus seinen Ärmeln schüttelte, das lässt bis heute sogar jene bewundernd staunen, deren Schlagzeug so reich bestückt ist, dass jeder hochbegabte Tausendfüßler überfordert wäre, im Laufe einer Show alle Trommeln und Becken zu erwischen.

Die Geschichte vom Networken (wenn wir denn bei diesem Begriff bleiben wollen) muss dringend neu erzählt werden, finde ich. Als eine Geschichte des Einbringens, anstatt wie bisher als eine des Rausholens. Nützliches einbringen, statt ausnützen. Wenn wir nämlich einander Mentoren sind, also einander beim Erreichen unserer Ziele unterstützen, werden wir ein dichtes Netz von Gewinner:innen weben, die einander beflügeln, ohne dass dabei jemand benützt oder gar besiegt werden muss. Damit machen wir einander stark als Menschen, Teams und Gesellschaft.

Ringo Starr würde sagen: „I get by with a little help from my friends“, während meine Großmutter, die alte Story Dudette, Beatles-Groupie der ersten Stunde zumal, den Takt einschlägt für die Hymne einer Zukunft in Verbundenheit: „New Story. New Glory.”

P.S. Immer wieder höre ich, dass mein Newsletter und mein Blog viele Menschen kräftig inspiriert. Findest du auch? Dann teile ihn bitte mit Leuten, denen du etwas Gutes tun willst. Sie freuen sich bestimmt – und ich mich auch. Danke im Voraus!