Wie und wo Facebook Künstliche Intelligenz einsetzt
Facebook ist das größte soziale Netzwerk der Welt und zählte im 4. Quartal 2019 rund 2,5 Milliarden Mitglieder. User pflegen ihre Profile regelmäßig, indem sie Alter, Geschlecht, Lebensstil, Interessen, Verhaltensmuster und intimste Details freiwillig bekanntgeben und machen aus Facebook die perfekte Plattform für Werbetreibende. Auch wenn das Unternehmen seit Anbeginn wegen Datenschutzbedenken in der Kritik steht, tut das dem Erfolg des Social Media Riesen, zu dem mittlerweile auch WhatsApp und Instagram gehören, keinen Abbruch. Ohne den massiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wäre der Softwaregigant nicht administrierbar. Aber wie und wo setzt Facebook KI ein?
1. Textanalyse und Textverarbeitung
Ein Großteil der auf Facebook geteilten Daten liegt in Textform vor. Für die Analyse dieser Texte verwendet Facebook eine selbst entwickelte Machine Learning Software namens “DeepText”. Die Inhalte von Postings sollen im Kontext verstanden werden, um bestimmte Absichten der Nutzer erkennen zu können. Facebook generiert daraus Leads, die an Werbekunden verkauft werden.
2. Gesichtserkennung
Facebook verwendet eine Deep Learning-Anwendung namens “DeepFace”, die mit hoher Präzision Personen auf Fotos erkennen kann. Die Software zur Gesichtserkennung erreicht laut Facebook mittlerweile eine Genauigkeit von 97,35 % (Abweichungen von ± 0,25 %). Damit ist die KI bereits auf menschlichem Niveau (Genauigkeit von 97,53 %) angelangt. Der Einsatz dieser Technologie ist insbesondere in Europa umstritten. Sie wurde 2013 nach Protesten von Datenschützern aus den Konten der europäischen Bürger entfernt.
3. Gezielte Werbung
Facebook verwendet künstliche neuronale Netzwerke um zu entscheiden, welche Werbung welchen Nutzern gezeigt werden soll - seit jeher das Kerngeschäft des Unternehmens. Ziel ist es, das Verhalten der User genau zu studieren und im Sinne eines Profilings auszuwerten. Das Unternehmen arbeitet dabei mit einer sich selbst verbessernden künstlichen Intelligenz, die erstmals 2016 als „FBLearner Flow“ vorgestellt wurde. Dieses System arbeitet „vorausschauend“ - so sollen Werbetreibende ihre User auch im Hinblick auf ihr künftiges Verhalten ansprechen können.
4. Kartografie
Das Unternehmen enthüllte bereits 2016 Details, als es Karten für 22 Nationen auf Basis von 11,5 Mrd hochauflösenden Satellitenaufnahmen mit Unterstützung von Deep Learning Software erstellte. Die Idee dahinter: wenn eine Katastrophe eintritt, können Hilfsorganisationen effektiver reagieren wenn sie über präzises Kartenmaterial verfügen.
5. Übersetzung
Facebook-User sind über die ganze Welt verteilt, mehr als die Hälfte von ihnen spricht kein Englisch. Um diese Kommunikationsbarrieren zu beseitigen, baut Facebook ein KI-basiertes, automatisches Übersetzungssystem auf, mit dessen Hilfe Millionen Menschen übersetzte Beiträge in ihrem News-Feed sehen können. Laut Facebook Help-Center werden insbesondere Posts, die viele Übersetzungs-Anfragen erhalten, automatisch übersetzt.
6. Bildersuche & „Sprechende“ Bilder
Freunde markieren, Erinnerungen teilen, Orte und Produkte erkennen – das sind die Features, die wir an Facebook schätzen und die manche fürchten. Bereits seit 2016 nutzt Facebook KI, um Inhalte in Bildern zu analysieren. Mittels Machine Learning erkennt Facebook beispielsweise ob ein Bild im Park oder zuhause aufgenommen wurde und ob ein Hund oder eine Katze darauf zu sehen ist. Die neue Facebook KI „GrokNet“ kann zudem Produkte in Videos und Bildern identifizieren und in Shopping-Kanälen danach suchen. Facebook baut dabei KI-Systeme auf, die Bilder auf der Ebene einzelner Pixel verstehen können, anstatt nur das gesamte Bild zu klassifizieren. Dieser Vorgang wird als „Bildsegmentierung“ bezeichnet.
7. 3D Bilder
Im Oktober 2018 wurde erstmals Facebooks 3D-Fotofunktion vorgestellt. Mit Hilfe des maschinellen Lernens brachten Facebook-Forscher einem neuronalen Netzwerk bei, wie man aus 2D-Fotos auf 3D-Strukturen schließen kann. Dabei wurde das künstliche neuronale Netz mit Millionen Paaren von 3D-Bildern und den entsprechenden Tiefenstrukturen trainiert.
8. Chatbots
Durch den Einsatz von Chatbots soll unser Leben einfacher und effizienter werden, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass es genau umgekehrt ist. Facebook verfügt über eine leistungsstarke und hochfunktionale Bot-API für die Messenger-Plattform.
9. Selbstmorde mit Künstlicher Intelligenz verhindern
Weltweit ist Selbstmord die zweithäufigste Todesursache bei 15- bis 29-Jährigen. Schon 2017 startete Facebook ein ehrgeiziges Projekt zur Verhinderung von Suiziden durch den Eisatz von künstlicher Intelligenz. Facebook nutzt dabei maschinelles Lernen, um Schlüsselwörter und Suizidmuster (z.B. besorgte Kommentare von Freunden) in Beiträgen zu erkennen und Benutzer zu identifizieren, die möglicherweise gefährdet sind. Die Idee, dass der Social Media Riese Daten zur psychischen Gesundheit seiner User ohne die Zustimmung der Benutzer auswertet und speichert, fanden insbesondere die europäischen Datenschützer nicht in Ordnung. Der Einsatz des „Selbstmord-Algorithmus“ von Facebook ist in der EU verboten.
10. Fakenews, Hasspostings, Terror und Nacktheit aufspüren
Die Definition und das Aufspüren von Fakenews, Terror, Nacktheit und Hassreden ist eine der größten technischen und letztendlich auch politischen Herausforderungen für Facebook und vergleichbare Plattformen. In den Gemeinschaftsstandards über Hassrede heißt es bei Facebook beispielsweise: „Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung und Ausgrenzung und kann offline Gewalt fördern. Deshalb lassen wir Hassrede auf Facebook nicht zu.“ Die KI zur Erkennung von Hass wurde im Jahr 2020 von Facebook erneut verbessert. Leider bleibt die Genauigkeit dieser Systeme weiterhin ein Rätsel, da Facebook die Gesamtmenge der Hassreden, die von seinen 1,7 Milliarden täglich aktiven Nutzern gepostet werden, nicht bekanntgibt. Einem neuen Bericht zufolge entfernte das Unternehmen im ersten Quartal 2020 insgesamt 9,6 Millionen Inhalte, die es als Hassreden ansah, gegenüber 5,7 Millionen im vierten Quartal 2019.
“Maschinen mit gesundem Menschenverstand auszustatten, wird ein großer Schwerpunkt der KI-Forschung im nächsten Jahrzehnt sein.” – meint Yann LeCun, Facebook AI Chief und Gewinner des Turing Awards 2018
Künstliche Intelligenz - gekommen, um zu bleiben
Trotz mehrerer Datenschutz-Skandale in den vergangenen Jahren, scheinen die meisten Facebook-User bereit zu sein, ihre Privatsphäre aufzugeben, um auf der Plattform präsent zu sein. Der verstärke Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird dafür sorgen, dass die Inhalte, die die User in ihren Filterblasen sehen, immer präziser werden und Werbetreibende immer präszisere Informationen erhalten, um ihre Zielgruppen anzusprechen.